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Heinrich Mitteis:
wiederkehrenden Zug dieser Epoche, daß bei gegen die Krone
gerichteten Rechtsverletzungen zunächst der Versuch, eine Sühnung
durch die königliche Gerichtsbarkeit herbeizuführen, an der Kon-
tumaz des Angeklagten scheitert, dann aber alsbald die Inter-
vention des gladius spiritualis angerufen wird. Offenbar hatte die
Exkommunikation noch mehr Macht über die Herzen als der welt-
liche Bann1. Spuren dieses Verfahrens finden wir in größerer Zahl.
So schreibt schon 990 Hugo Capet an den Papst Johann XV., daß
Erzbischof Arnulf von Rheims, den er des Verrates beschuldigte,
vocatus ad palatium venire contemnit und bittet um Unterstüt-
zung2. Im Jahre 1024 teilt Erzbischof Fulbert von Chartres dem
Papst Johann XIX. mit, daß er einen (weiter nicht bekannten)
Grafen Robert, der wegen verschiedener Delikte gegen Kirchen und
Kleriker vergebens vor das Königsgericht geladen worden sei, ex-
kommuniziert habe3. Derselbe droht dem Grafen Fulco Nerra von
Anjou im Jahre 1025 die Exkommunikation an, falls er nicht vor
dem Königsgericht erscheine, um sich wegen Majestätsverbrechens
zu verantworten. Dabei ist besonders beachtenswert, daß dem
Angeklagten durch die kirchliche Gewalt die Zusicherung gegeben
wird, daß keine peinliche Bestrafung erfolgen werde4, und ferner,
daß im 11. Jahrhundert in Frankreich der Begriff des reatus maie-
statis schon einen sehr erheblichen Anwendungsbereich gewonnen
1 Vgl. etwa über die Wirkungen der Exkommunikation Roberts I. Rec-
des Hist. X, 493 (Brief des Petrus Damiani an Abt und Mönche von Montecas.
sino; zur Datierung vgl. Fr. Neuicirch, Leben des Petrus Damiani, Gott.
Diss. 1875, S. 103.
2 Vgl. Rec. des Hist. X, p. 521.
3 Recueil des Hist. X, p. 473: Est enim comes quidam malefactor, nomine
Rodolphus, nimium vicinus nobis, qui res Ecclesiae nostrae per iniustarn occa-
sionem invasit, unum de Clericis nostris interfecit, duos alios captos sacrameniis
illigavit: Et de his omnibus appellatus in curia Regis, et coram plena ecclesia
saepe vocatus, nec propter hominem, nec propter Deum, ad justiciam venire
dignatus, a nobis tandem excommunicatus est.
4 Rec. des Hist. X, 476: Fulbertus Dei Gratia Carnotensium Episcopus,
Comiti Fulconi commonitorium salutis. Tarn horrendo facinore praesentiam
Domini. Regis tui dedecoravere satellites, ut mundani judices asserant capitale
te quoque reum M aj estatis, qui eis postea patrocinium tuum et receptacula
praebuisti. Proinde rogabatur a multis, ut die sacro Pentecostes et te et illos
excommunicaremus. Sed nos tuae providentes saluti, trium hebdomadarum ab
ipso die petivimus inducias, ut literis te convenire possemus. Talern etiam a Rege
conditionem impetravimus, si veneris ad iudicium, ut non super vitam aut super
membra, sed super facultates ultio reflectatur. Folgt Androhung der Exkom-
munikation.
Heinrich Mitteis:
wiederkehrenden Zug dieser Epoche, daß bei gegen die Krone
gerichteten Rechtsverletzungen zunächst der Versuch, eine Sühnung
durch die königliche Gerichtsbarkeit herbeizuführen, an der Kon-
tumaz des Angeklagten scheitert, dann aber alsbald die Inter-
vention des gladius spiritualis angerufen wird. Offenbar hatte die
Exkommunikation noch mehr Macht über die Herzen als der welt-
liche Bann1. Spuren dieses Verfahrens finden wir in größerer Zahl.
So schreibt schon 990 Hugo Capet an den Papst Johann XV., daß
Erzbischof Arnulf von Rheims, den er des Verrates beschuldigte,
vocatus ad palatium venire contemnit und bittet um Unterstüt-
zung2. Im Jahre 1024 teilt Erzbischof Fulbert von Chartres dem
Papst Johann XIX. mit, daß er einen (weiter nicht bekannten)
Grafen Robert, der wegen verschiedener Delikte gegen Kirchen und
Kleriker vergebens vor das Königsgericht geladen worden sei, ex-
kommuniziert habe3. Derselbe droht dem Grafen Fulco Nerra von
Anjou im Jahre 1025 die Exkommunikation an, falls er nicht vor
dem Königsgericht erscheine, um sich wegen Majestätsverbrechens
zu verantworten. Dabei ist besonders beachtenswert, daß dem
Angeklagten durch die kirchliche Gewalt die Zusicherung gegeben
wird, daß keine peinliche Bestrafung erfolgen werde4, und ferner,
daß im 11. Jahrhundert in Frankreich der Begriff des reatus maie-
statis schon einen sehr erheblichen Anwendungsbereich gewonnen
1 Vgl. etwa über die Wirkungen der Exkommunikation Roberts I. Rec-
des Hist. X, 493 (Brief des Petrus Damiani an Abt und Mönche von Montecas.
sino; zur Datierung vgl. Fr. Neuicirch, Leben des Petrus Damiani, Gott.
Diss. 1875, S. 103.
2 Vgl. Rec. des Hist. X, p. 521.
3 Recueil des Hist. X, p. 473: Est enim comes quidam malefactor, nomine
Rodolphus, nimium vicinus nobis, qui res Ecclesiae nostrae per iniustarn occa-
sionem invasit, unum de Clericis nostris interfecit, duos alios captos sacrameniis
illigavit: Et de his omnibus appellatus in curia Regis, et coram plena ecclesia
saepe vocatus, nec propter hominem, nec propter Deum, ad justiciam venire
dignatus, a nobis tandem excommunicatus est.
4 Rec. des Hist. X, 476: Fulbertus Dei Gratia Carnotensium Episcopus,
Comiti Fulconi commonitorium salutis. Tarn horrendo facinore praesentiam
Domini. Regis tui dedecoravere satellites, ut mundani judices asserant capitale
te quoque reum M aj estatis, qui eis postea patrocinium tuum et receptacula
praebuisti. Proinde rogabatur a multis, ut die sacro Pentecostes et te et illos
excommunicaremus. Sed nos tuae providentes saluti, trium hebdomadarum ab
ipso die petivimus inducias, ut literis te convenire possemus. Talern etiam a Rege
conditionem impetravimus, si veneris ad iudicium, ut non super vitam aut super
membra, sed super facultates ultio reflectatur. Folgt Androhung der Exkom-
munikation.