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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0077
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Politische Prozesse.

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hatte; denn als Grund wird angegeben, daß Dienstleute Fulcos
die Gegenwart des Königs durch ein Verbrechen entehrt hatten
und dieser ihnen trotzdem Schutz und Aufnahme gewährte1.
Noch 1115 verzichtet Ludwig VI. von vornherein auf die
Ladung des gefürchteten und berüchtigten Theobald IV. von Blois,
begnügt sich vielmehr damit, die Intervention des geistlichen
Gerichtes zu erbitten. Es klingt wie Hohn, wenn nun der unbot-
mäßige Vasall die Einlassung vor dem geistlichen Richter verwei-
gert unter Berufung darauf, er habe ja gar keine Gelegenheit
gehabt zu zeigen, ob er der königlichen Ladung zu folgen bereit
sei2! Wie es in jener Zeit um die weltliche Rechtspflege bestellt
war, zeigt eine Erzählung des Abtes Suger von St. Denis. Danach
erbot sich 1121 derselbe Theobald, sein Recht zur Anlage von
Befestigungen durch einen gerichtlichen Zweikampf zu erhärten.
Er stellte als Kämpen seinen Seneschall Andre de Baudemont. Der
König beorderte dagegen seinen Truchseß Anse! de Garlande: der
Zweikampf mußte indessen unterbleiben, da die Parteien keinen
Termin erlangen konnten, an dem sie ihn hätten austragen können3.
Indessen folgte diesem Tiefstand noch unter Ludwig VI. ein
rascher Aufschwung, für den insbesondere das tatkräftige Vorgehen
des eben genannten Suger die Grundlage bildete, der eine ganz
besondere Machtfülle in seiner Hand vereinigte. Sein Vorgänger
war der bekannte Günstling Etienne de Garlande, dessen Sturz
(1127) möglicherweise auch die Folge eines Rechtsverfahrens war,
über das wir aber nicht genauer unterrichtet sind4. Suger griff
mehrfach erfolgreich mit Ladungen vor das Königsgericht durch;
so lud er 1148 Rainald von Montfaucon, obwohl die Ritterschaft
von Berry ein Gewohnheitsrecht für sich in Anspruch nahm, wo-
nach sie nur vor dem königlichen oder erzbischöflichen Gericht in

1 Dazu R. Genestal, Le Privilegium fori en France II (1925), p. XXIX.
Vgl. zum Ganzen Pfister, Etudes sur le regne de Robert le Pieux, Paris 1885,
p. 156ss.
2 Rec. des Hist. XV, p. 175. Ordericus Vitalis ebda. XIII p.14, wo aber
das Datum irrig auf 1111 angegeben ist; vgl. Ach. Luchaire, Louis VI. le
Gros, Paris 1890, p. 101.
3 Sugeri Gesta Ludovici regis cognomento Grossi ed. Molinier (1887,
Rec. des textes IV), p. 66: Qui viri strenui mullas huic proelio postulanles curias,
nullam invenerunt.
4 Suger selbst geht (p. 116ss.) schnell darüber hinweg. Das Chronicum
Mauriniacense sagt nur zu 1127: deposilus et honore pulsatus a curia. Vgl.
Otto Cartellieri, Abt Suger von St. Denis (1898), S. 23f.
 
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