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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0079
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Politische Prozesse.

79

in seinem Prozeß mit dem Bischof von Langres wegen verschiedener
Verletzungen des Lehnsverhältnisses. Nachdem bereits verhandelt
worden ist, fährt die Urkunde fort1:
Illis dictis, itum est ad judicium, sed judices de judicio alium
diern quesierunt. Et nos prefiximus alium diem. Episcopus venit.
Dux contramandavit. herum dedimus alium diem. Episcopus venit.
Dux rursus contramandavit. Dedimus et tertium. Episcopus venit;
dux venire contempsit. Habito adhuc consilio, nuntium nostrum
misimus ad ducem, qui eum reperiit incolumem et equitantem, et
ipsi de parte nostra nominavit quartum diem, ad quem venit epis-
copus. Sed dux non veniens, suum misit nuntium qui inde eo solo
excusabat dominum suum non venisse quod tantas dietas jerre non
poterat. — Hiis de causis, judicio Curie abjudicavimus duci querelas
suas, episcopo suas reddi debere judicavimus.
Die Stelle ist für die prozeßtaktischen Mittel der Zeit, deren
sich der Beklagte zur Verschleppung des Verfahrens bedienen
konnte, höchst lehrreich. Der Herzog macht zweimal Gebrauch
vom ,,contremand“, einer nur Adligen zustehenden Befugnis, ohne
weitere Begründung Aufschub zu begehren2; erst als er dies hei
der dritten Ladung unterläßt, sagt die Urkunde: ,,venire contemp-
sit“. Dann versucht er immer noch eine „essoine“, eine begrün-
dungsbedürftige Berufung auf echte Not vorzuschützen, und erst
als das Gericht diese verwirft, kann es zur Verurteilung in der
Sache selbst gelangen.
Aus der Regierungszeit Ludwigs VII. ist es nun noch ins-
besondere eine Episode, die unsre Aufmerksamkeit auf sich ziehen
muß, und die schließt sich an seine ehelichen Verhältnisse an. Be-
kanntlich hatte Ludwig den folgenschweren politischen Fehler began-
gen, seine Ehe mit Eleonore von Poitou wegen angeblicher Blutsver-
wandtschaft in kanonisch verbotenem Grade3 für ungültig erklären zu
lassen. Knapp zwei Monate später war Eleonore die Gattin Hein-
rich Plantagenets, des Grafen von Anjou, dem sie ihr ganzes aqui-
tanisches Heiratsgut mitbrachte. Als Heinrich 1154 den englischen
1 Langlois, a. a. O., p. 20.
2 Ygl. darüber auch unten S. 104.
3 Über die kirchenrechtliche Seite vgl. Vacandard, Le divorce de Louis
le Jeune, Revue des Questions historiques 47 (1890), p. 408ss.; A. Esmein,
Le mariage en droit canonique (1891) I, p. 355. Luchaire in Lavisse, Ilistoire
de France illustree III, 1, p. 29, hält für den wahren Auflösungsgrund den
Mangel männlicher Nachkommenschaft.
 
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