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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0087
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Politische Prozesse.

Irgendwelche aktenmäßige Belege über das Rechtsverfahren
gegen Johann ohne Land fehlen, sei es, daß sie niemals vorhanden
waren, sei es, daß sie bei späterer Gelegenheit vernichtet worden
sind1. Immerhin erhalten wir aus den historiographischen Quellen
ein einigermaßen einwandfreies Bild von einem Lehnsprozeß gegen
Johann, der im Jahre 1202 sich abgespielt haben muß. Dessen
Suzeränitätsstellung der Krone in das 12. Jhdt. zu verlegen und mit der Aus-
bildung der rechtlichen Grundlagen des Lehnswesens in den Libri Feudorum
und den Assisen von Jerusalem in kausale Beziehung zu setzen (p. 127ss.,
159ss., 531ss., insbes. 599, 600). Seiner Ansicht nach ist bis zum Tode Wil-
helms des Eroberers von einer Belehnung überhaupt nicht die Rede, während
andrerseits die sich überstürzenden homagia der Prätendenten in der ersten
Hälfte des 12. Jhdts. erst recht verfassungsgeschichtlich außer Betracht zu
bleiben haben (,,Subitement les hommages, jusque-lä introuvables, dclosent, se
multiplient s’entre-choquent ou se poursuivent, comme en une sarabande desordon-
nee“, p. 162). Die erste glatte Lehnshuldigung ist für ihn die Heinrichs II.
1156, als Abschluß des oben S. 81 erwähnten Prozesses: Deinde in Norman-
niam transfretavit et homagium fecit Ludovico, regi Francorum, de Nor-
mannia et Aquitania et Andegavia et Cenomania et Turonica et de omnibus
eorum pertinenciis (Roger v. IJoveden, ed. Stubbs [Rer. Britt. Scr.] I, p. 215,
s. auch Richard Hirsch, Studien zur Geschichte König Ludwigs VII. von
Frankreich, Leipzig 1892, S. 86; K. Norgate, England under the Angevin
Kings [London 1887] I, p. 392). Seitdem ist das homagium öfters wiederholt
worden; Richard Löwenherz hat es zum ersten Male vor Augen seines Vaters
geleistet, in jener dramatischen Szene im November 1188, da er den fran-
zösischen König als Beschützer gegen die Erbteilungspläne seines Vaters
anrief (besonders plastisch Gervasius v. Canterbury ed. Stubbs [Rer. Britt.
script.] I, p. 436: Conversus ad regem Franciae, discinctus gladio, astante patre,
videntibus cunctis qui aderant, protensis manibus eidem (Philippo) fecit homagium
ipsius implorans auxilium ne iure debito privaretur. Vgl. Radulphus de Diceto
ed. Stubbs II, p. 58, Rigord ed. Delaborde I, p. 93. Wiederholt wurde das
Homagium Richards 1189 und 1195. — Für Flach tritt ein Declareuil,
Histoire generale du droit franga's (1925), p. 131 ss. Gegen Flach Chenon,
H'stoire generale du droit frangais public et prive (1926) I, p. 596, wo auch
weitere Lit. — Jedenfalls haben die Normannenherzöge, auch wenn man ein
Lehnsband annimmt, immer eine Sonderstellung unter den Kronvasallen für
sich beansprucht. Siehe Flach, a. a. O., p. 169, und unten S. 91 A. 2, sowie
schon v. Amira, Die Anfänge des normannischen Rechts (Ilist. Ztschr. 39
[1878], S. 241 ff.).
1 Das letztere nimmt Cartellieri a. a. O. IV p. 182 an, und zwar denkt
er an eine Beseitigung der Dokumente über die Verurteilung eines engl. Königs
anläßlich der französisch-englischen Friedensverhandlungen von 1259. Scharf
dagegen Petit-Dutaillis (s. unten S. 90 A. 2) p. 12, der erklärt, in einem solchen
Falle hätte man die Urkunde durchkreuzt, nicht vernichtet. Er leugnet jede
Aufzeichnung im Hinblick auf die schon erwähnte Seltenheit gerichtlicher
Protokolle.
 
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