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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0086
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86

Heinrich Mitteis:

mit einem Gegenkandidaten, seinem Neffen Arthur zu rechnen,
der besonders in der Bretagne einen großen Anhang besaß. Dieser
konnte sich insbesondere darauf berufen, daß Richard ihn in einem
Vertrage mit Tankred von Sizilien, dem sog. Messinavertrage1, zu
seinem Nachfolger designiert habe, zugleich mit seiner Verlobung
an Tankreds Tochter (November 1190). Daß er zugleich Philipp
Augusts Prätendent war, versteht sich von selbst. Trotzdem ver-
mochte dieser Johanns Besitzergreifung nicht zu hindern und nahm
im Mai 1200 dessen Kommendation entgegen, die einen Bestand-
teil des Vertrages von Le Goulet bildete:
,, Tenebimus de domino rege Franciae omnia feoda sicut pater
noster et fr ater noster, rex Ricardas, ea tenuerunt a domino rege Fran-
ciae et sicut feoda debent2.11
Als ,,rachat“ (Gebühr für die Lehnserneuerung) versprach
Johann die für damalige Zeiten unerhörte Summe von 20000 Mark3.
Damit war staatsrechtlich einwandfrei festgestellt, daß Johann
französischer Kronvasall sein sollte4; seine Parteifähigkeit für einen
Lehnsprozeß war zweifellos gegeben.

1 Es handelt sich um den ersten der beiden in Messina geschlossenen
Verträge (Text bei Rymer, Foedera, London 1816, I, p. 52, Übers, bei Car-
tellieri, Philipp II. August II. [1906], S. 144ff.). Ob Rymer das Original
gekannt hat, ist unsicher; indessen ist die Authentizität dieses Vertrages
nicht so sehr in Zweifel gezogen worden als die des zweiten Messinavertrages
zwischen Richard und Philipp August vom März 1191 (Rymer, a. a. O., 54;
Cartellieri, a. a. O., 164; Delaborde, Actes de Philippe-Auguste I [1916],
p.464), bei dem vor allem englische Historiker die Möglichkeit der Fälschung
durch Philipp August in Erwägung gezogen haben (vgl. Powicke, The Löss
of Normandy, Manchester 1913, p. 1272).
2 Diese enorme Summe (eine Mark wurde zu 13 Schillingen und 4 Pfen-
nigen gerechnet) wurde in der Tat noch 1200 flüssig gemacht, vor allem durch
Brandschatzung englischer Klöster. Vgl. Radulph v. Cöggeshall, Chronicon
anglicanum ed. Stephenson, 1875, p. 101, 103, wo übrigens sogar von 30000
Mark die Rede ist.
3 Teulet, Layettes du tresor des chartes I, p. 218; Lot, Fideles et vas-
saux, p. 86; Cartellieri IV, 1, S. 39ff.
4 Seit wann die Normandie und Bretagne in einem lehnrechtlichen Ab-
hängigkeitsverhältnis zur französischen Krone standen, ist durchaus bestritten.
F. Lot will in seinem oben S. 80 A. 3 erwähnten Buche Fideles ou vassaux?
schon im Vertrage von St. Clair sur l’Epte von 912 die Elemente einer Lehns-
investitur erblicken (p. 177ss.) und nimmt von da an ein ununterbrochenes
Bestehen des Vasallitätsverhältnisses an. Seine These wird aufs schärfste
bekämpft von Flach im 4. Bande der Origines de Tancienne France (1917),
wo er die Tendenz verfolgt, die Umwandlung der Souveränitäts- in eine
 
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