Politische Prozesse.
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terte er zugleich den Prozeßgegenstand — nachdem anfangs nur
die Fehde mit den Lusignans in Frage stand, lautete die letzte
Aufforderung so, daß daraus zu ersehen war, der französische König
habe die Sache der Rechtsuchenden zu seiner eigenen gemacht* 1
und beabsichtige, selbst als Kläger aufzutreten. Eine derartige
,,Hauptintervention“ mußte dem Lehnsherrn selbstverständlich
zustehen; wir haben hier eine klare Parallele zu dem Lehns-
verfahren gegen Heinrich den Löwen. Daraus folgte, daß nun nicht
mehr allein die angevinischen und poitevinischen Lehen im Streite
befangen waren, sondern alle französischen Kronlehen, die Johann
besaß. Und daß dieser selbst diese neue Situation als gegeben
ansah, erhellt daraus, daß er sich auf ein Privileg zu berufen ver-
suchte, das ihm eben nur in Bezug auf die Normandie zukam, jenes
nämlich, wonach der Normannenherzog nur an der Grenze des
Herzogtums, nicht im Inneren Frankreichs zu erscheinen brauchte2.
Es enthält also nicht die mindeste Inkonsequenz, und es besteht
nicht der leiseste Grund, an der Glaubwürdigkeit und Verläßlich-
das Recht des Contremands, das ein besonderes Vorrecht adliger Beklag-
ter war.
1 Chronik v. Coggeshall, a. a. O.: Sed cum rex Angliae nullatenus man-
datis aut precibus regis Franciae adquiescere voluisset, summonitus est per pro-
ceres regni Francorum quasi comes Aquitaniae et Andegaviae, quatenus ad curiam
domini sui regis Franciae Parisius veniret et ad iudicium curiae suae subiret
domino suo, de Malis injuriis responsurus et juri quod pares sui decernebant
pariturus. Noch deutlicher Rigord ed. Delaborde, p. 151: Rex Francorum
Johannem regem Angliae submonuit sic ut hominem suum ligium, quod pro
comitatu Pictavensi et Andegavensi, et pro ducatu Aquitaniae, XV diebus ab
Pascha instanti revolutis, Parisius veniret, super his quae Rex Francorum
adv er sus eum proponeret, suff identer responsurus.
2 Dieses Privileg war ein „grand cheval de bataille“ Johanns (Guil-
hiermoz, a. a. O., p. 50). Eine ausdrückliche Fixierung eines solchen Rechtes
ist nicht nachweisbar, man könnte daher höchstens von gewohnheitsrechtlicher
Bildung sprechen, nachdem, wie Lot a. a. 0. p. 227s. beobachtet hat, fast
alle Verträge zwischen der Normandie und Frankreich in Grenzorten geschlos-
sen worden sind (912: St. Clair sur l’Epte, 966: Gisors, 1060: entre Dreux
et Courdemanche, 1156/58 wieder an der Epte, 1200 Le Goulet. Von Gott-
fried Plantagenet berichtet Gaufried von Anjou zu 1144: mandat \rex] comiti
ut in confinio Franciae atque Normanniae veniat ad Colloquium. Lot, a. a. O.,
2281. Nur Heinrich Kurzmantel (später Heinrich II.) hat 1151 in Paris homa-
gium geleistet. Vgl. Flach, a. a. O., IV, p. 169. Indessen hat die curia regis
das Vorbringen Johanns verworfen und festgestellt, daß ,,le fait a dtd ä torl
erige en droit“ (Lot).
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terte er zugleich den Prozeßgegenstand — nachdem anfangs nur
die Fehde mit den Lusignans in Frage stand, lautete die letzte
Aufforderung so, daß daraus zu ersehen war, der französische König
habe die Sache der Rechtsuchenden zu seiner eigenen gemacht* 1
und beabsichtige, selbst als Kläger aufzutreten. Eine derartige
,,Hauptintervention“ mußte dem Lehnsherrn selbstverständlich
zustehen; wir haben hier eine klare Parallele zu dem Lehns-
verfahren gegen Heinrich den Löwen. Daraus folgte, daß nun nicht
mehr allein die angevinischen und poitevinischen Lehen im Streite
befangen waren, sondern alle französischen Kronlehen, die Johann
besaß. Und daß dieser selbst diese neue Situation als gegeben
ansah, erhellt daraus, daß er sich auf ein Privileg zu berufen ver-
suchte, das ihm eben nur in Bezug auf die Normandie zukam, jenes
nämlich, wonach der Normannenherzog nur an der Grenze des
Herzogtums, nicht im Inneren Frankreichs zu erscheinen brauchte2.
Es enthält also nicht die mindeste Inkonsequenz, und es besteht
nicht der leiseste Grund, an der Glaubwürdigkeit und Verläßlich-
das Recht des Contremands, das ein besonderes Vorrecht adliger Beklag-
ter war.
1 Chronik v. Coggeshall, a. a. O.: Sed cum rex Angliae nullatenus man-
datis aut precibus regis Franciae adquiescere voluisset, summonitus est per pro-
ceres regni Francorum quasi comes Aquitaniae et Andegaviae, quatenus ad curiam
domini sui regis Franciae Parisius veniret et ad iudicium curiae suae subiret
domino suo, de Malis injuriis responsurus et juri quod pares sui decernebant
pariturus. Noch deutlicher Rigord ed. Delaborde, p. 151: Rex Francorum
Johannem regem Angliae submonuit sic ut hominem suum ligium, quod pro
comitatu Pictavensi et Andegavensi, et pro ducatu Aquitaniae, XV diebus ab
Pascha instanti revolutis, Parisius veniret, super his quae Rex Francorum
adv er sus eum proponeret, suff identer responsurus.
2 Dieses Privileg war ein „grand cheval de bataille“ Johanns (Guil-
hiermoz, a. a. O., p. 50). Eine ausdrückliche Fixierung eines solchen Rechtes
ist nicht nachweisbar, man könnte daher höchstens von gewohnheitsrechtlicher
Bildung sprechen, nachdem, wie Lot a. a. 0. p. 227s. beobachtet hat, fast
alle Verträge zwischen der Normandie und Frankreich in Grenzorten geschlos-
sen worden sind (912: St. Clair sur l’Epte, 966: Gisors, 1060: entre Dreux
et Courdemanche, 1156/58 wieder an der Epte, 1200 Le Goulet. Von Gott-
fried Plantagenet berichtet Gaufried von Anjou zu 1144: mandat \rex] comiti
ut in confinio Franciae atque Normanniae veniat ad Colloquium. Lot, a. a. O.,
2281. Nur Heinrich Kurzmantel (später Heinrich II.) hat 1151 in Paris homa-
gium geleistet. Vgl. Flach, a. a. O., IV, p. 169. Indessen hat die curia regis
das Vorbringen Johanns verworfen und festgestellt, daß ,,le fait a dtd ä torl
erige en droit“ (Lot).