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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0102
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102

Heinrich Mitteis:

hält, trifft im wesentlichen das Richtige und Petit-Dutaillis1
gießt zu Unrecht die Schale des Zorns über seinen Vorgänger aus.
Aber damit ist natürlich noch nicht gesagt, daß, was juristisch
möglich, auch historisch wahr sei. Noch immer könnten diejenigen
recht behalten, die das ganze Vorbringen der Gesandten als ein
Spiel der Lüge und Erfindung, als einen groben Täuschungsversuch
hinstellen.
Zunächst ist auf das Argument einzugehen2, daß schon aus
dem ganzen Verlauf der Verhandlungen die innere Unwahrschein-
lichkeit der französischen Behauptungen zu erschließen sei. Petit-
Dutaillis (p. 35ss.) gibt sich die größte Mühe, jede einzelne dieser
Objectiones zu desavouieren. Aber es ist ihm stets nur gelungen
darzutun, daß die Franzosen sich auf bestrittenem, unsicherem
Boden bewegten. Es ist aber ein großer Unterschied, ob eine Partei
in einem Prozesse — um einen solchen handelt es sich der Sache
nach — gewagte und subjektive Behauptungen aufstellt oder ob
sie sich zu direkten groben Lügen versteigt. Und eine solche wäre
die Berufung auf ein in Wahrheit nie gefälltes Urteil. Es ist im
Gegenteil gänzlich unwahrscheinlich, daß der Papst Innozenz, einer
der größten Juristen und Diplomaten auf dem Stuhle St. Petri,
diese Lüge nicht sofort entlarvt hätte. Denn Guilhiermoz hat
ganz richtig gesehen, daß Innozenz wohl informiert war. Er kannte
die unscheinbarsten geschichtlichen und rechtlichen Tatsachen wie
Arthurs Gefangennahme zu Mirabel, das normannische privilege de
la marche usw. Offenbar hatte die Partei Johanns für seine Infor-
mation gesorgt. Daß der Papst „suffloque par les allegations si
nouvelles et si enormes qu’on lui presentait“3 gewesen sei, kann
ich absolut nicht finden. Im Gegenteil, die ganze Unterredung ist
aufgebaut wie eine Schachpartie, in der jeder Zug durch einen
geschickten Gegenzug pariert wird. Wäre der Papst nicht schon
von seinen Vertrauensleuten ins Bild gesetzt worden, daß die Fran-
zosen die Verurteilung zum Tode zu behaupten vorhätten, so hätte
er wohl die Verhandlungen anders geführt und sich auf seine un-
genügende Kenntnis berufen, wie 1205 in dem Brief an die norman-
1 ]. c. p. 30.
2 Die Vermutung Josef Lehmanns, Johann ohne Land 1904 (Eberings
Hist. Studien, Bd. 45) S. 45ff., daß die ganze Objectiones-Partie bei Wen-
dover apokryph sei, ist als erledigt zu betrachten. Vgl. Petit-Dutaillis,
p. 33; Cartellieri IV, 524, Nr. 3.
3 Petit-Dutaillis, a. a. O., p. 33.
 
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