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Heinrich Mitteis:
urteil, das formlos, als einfache Konstatierung der Säumnis, erging,
sich alle Wege für die Zukunft offen zu halten ? Die Antwort dürfte
nicht schwer sein.
Aber das wären alles leere Vermutungen, hätten wir nicht
Spuren des zweiten Prozesses in Händen. Und hier ist es das Ver-
dienst Powickes, durch sorgfältige Durchforschung englischer
Klosterannalen neue Bahnen gewiesen zu haben. Die Annalen von
Margham, einem Kloster in Wales, in der Grafschaft Glamorgan,
die einzigen, die auch einen klaren Bericht über die Ermordung
Arthurs bringen, enthalten einen Passus, der nur auf die Ladung-
Johanns wegen dieser Straftat Bezug haben kann. Sie sagen
nämlich1:
Quod cum fama vulgante audisset praedictus rex Francorum, et
pro certo scir et Arthur um esse occisum, fecit summoneri inter-
f ectorem eius J o hannem, ut veniret ad curiam Franciae, uti
solent duces Normanniae, de occisione tanti viri responsurus, et se
si posset defensurus; tanti, inquam, viri; erat enim legitimus heres
Angliae, comes Britanniae, et gener regis Franciae. Ille tanti mali
sibi conscius, nunquam ausus est comparere, sed fugit in Anglictm,
et in ea super homines suos gravissimam tyrannidem exercuit, usque
ad mortem suam. Postquam autem nunquam venit ad respondendum
de morte Arthuri, et se dejendendum, per iudicium curiae regis et
principum Francorum abjudicatus est, et exheredatus est cum
o mnib us heredibus suis de universis terris et honoribus quos
tenuit de corona Franciae, et fixum et justum judicium hoc.
Werten wir diese Sätze juristisch, so sehen wir, daß die Ladung
als eine substantiierte ergangen sein muß; d. h. sie machte den
Ladungsgrund namhaft und zwar das Delikt des Mordes, nicht eine
Lehnspflichtversäumnis schlechthin. Damit schnitt sie Johann von
vornherein die Möglichkeit ab zu „contremander“, d. h. grundlos
Vertagung zu verlangen; er konnte höchstens ,,essonier“ d. h.
sunnis, echte Not vorschützen, und auch das nur einmal2. Daraus
erklärt es sich vielleicht, daß wir von mehrfachen Ladungen nichts
wissen.
1 Henry R. Luard, Annales monastici [Rer. Britt. Script.], 1873, I,
p. 27.
2 Beaumanoir 297: S’il (sc. li souverains) Vajourne seur force, ou seur
nouvelle dessaisine, ou seur nouvel tourble, ou seur rescousse d’eritage, ou seur
douaire, ou seur crime ou seur asseurement, en hui de ces cas il ne puet con-
tremander, mes essonnier puet une fois s’il a essoine. Das System der Contre-
mands und Essoines ist bei Beaumanoir so subtil ausgefeilt, daß auf eine
lange contumiäre Praxis geschlossen werden kann.
Heinrich Mitteis:
urteil, das formlos, als einfache Konstatierung der Säumnis, erging,
sich alle Wege für die Zukunft offen zu halten ? Die Antwort dürfte
nicht schwer sein.
Aber das wären alles leere Vermutungen, hätten wir nicht
Spuren des zweiten Prozesses in Händen. Und hier ist es das Ver-
dienst Powickes, durch sorgfältige Durchforschung englischer
Klosterannalen neue Bahnen gewiesen zu haben. Die Annalen von
Margham, einem Kloster in Wales, in der Grafschaft Glamorgan,
die einzigen, die auch einen klaren Bericht über die Ermordung
Arthurs bringen, enthalten einen Passus, der nur auf die Ladung-
Johanns wegen dieser Straftat Bezug haben kann. Sie sagen
nämlich1:
Quod cum fama vulgante audisset praedictus rex Francorum, et
pro certo scir et Arthur um esse occisum, fecit summoneri inter-
f ectorem eius J o hannem, ut veniret ad curiam Franciae, uti
solent duces Normanniae, de occisione tanti viri responsurus, et se
si posset defensurus; tanti, inquam, viri; erat enim legitimus heres
Angliae, comes Britanniae, et gener regis Franciae. Ille tanti mali
sibi conscius, nunquam ausus est comparere, sed fugit in Anglictm,
et in ea super homines suos gravissimam tyrannidem exercuit, usque
ad mortem suam. Postquam autem nunquam venit ad respondendum
de morte Arthuri, et se dejendendum, per iudicium curiae regis et
principum Francorum abjudicatus est, et exheredatus est cum
o mnib us heredibus suis de universis terris et honoribus quos
tenuit de corona Franciae, et fixum et justum judicium hoc.
Werten wir diese Sätze juristisch, so sehen wir, daß die Ladung
als eine substantiierte ergangen sein muß; d. h. sie machte den
Ladungsgrund namhaft und zwar das Delikt des Mordes, nicht eine
Lehnspflichtversäumnis schlechthin. Damit schnitt sie Johann von
vornherein die Möglichkeit ab zu „contremander“, d. h. grundlos
Vertagung zu verlangen; er konnte höchstens ,,essonier“ d. h.
sunnis, echte Not vorschützen, und auch das nur einmal2. Daraus
erklärt es sich vielleicht, daß wir von mehrfachen Ladungen nichts
wissen.
1 Henry R. Luard, Annales monastici [Rer. Britt. Script.], 1873, I,
p. 27.
2 Beaumanoir 297: S’il (sc. li souverains) Vajourne seur force, ou seur
nouvelle dessaisine, ou seur nouvel tourble, ou seur rescousse d’eritage, ou seur
douaire, ou seur crime ou seur asseurement, en hui de ces cas il ne puet con-
tremander, mes essonnier puet une fois s’il a essoine. Das System der Contre-
mands und Essoines ist bei Beaumanoir so subtil ausgefeilt, daß auf eine
lange contumiäre Praxis geschlossen werden kann.