Politische Prozesse.
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Ferner aber ist die Ladung in Gewißheit des Todes Arthurs
ergangen. Damit fällt die Annahme von Guilhiermoz1 dahin, daß
schon Ostern 1203 ein Kontumazialurteil gefällt worden sein könnte.
Denn noch im Oktober 1203 belehnt Philipp den Guy de Thouars
mit den Schlössern Brissac und Chamille2
reserve le droit d'Arthur si ce prince est en vie.
Doch selbst wenn man das Urteil lediglich auf Gerichts-
versäumnis und somit auf eine Fiktion gründen wollte
— il en seroit ausin bien corpables comme s’il aüst fait le fait
et come sAl Vaüst queneu, et si en seroit penduz, tout ne Vaüst pas
fait —
wie die Etablissements de St. Louis3 in so naiver Deutlichkeit
sagen — so wäre eine solche relative Urteilswirkung angesichts der
substantiierten Ladung doch völlig unverständlich. Vielmehr ist
anzunehmen, daß Johann erst geladen wurde, als Arthurs Tod
bereits feststand und das dürfte nach der ansprechenden Ver-
mutung Cartellieris4, nicht vor Johanns Abreise nach England
(Dezember 1203) der Fall gewesen sein5. Dann kommt als Zeit-
punkt für die Verurteilung erst Ostern 1204 in Betracht, und in
dieser Zeitspanne ließen sich auch drei Ladungen bequem unter-
bringen, selbst wenn man für sie die Fristen der statuta et consue-
tudines Normanniae und der andern Rechtsbücher6 als maßgebend
annehmen wollte.
Nun wäre freilich noch die Glaubwürdigkeit der Annalen von
Margham einer Prüfung zu unterziehen. Powicke7 behandelt sie
alseine Quelle ersten Ranges. Er vertritt im Anschluß an Bedier8
die Ansicht, daß die Güte einer annalistischen Quelle weniger von
1 A. a. O.
2 L. Delisle, Catalogue des actes de Philippe-Auguste, Paris 1856,
Nr. 783, p. 177. Ygl. Nr. 752, p. 175, März 1203: Maurice de Craon fait Hom-
mage ä Philippe-Auguste pour tout le temps qu’ Artur sera en prison.
3 I, c. 88.
4 IV, 1, S. 180.
5 Ob die Ladungsbitte auch hier von Dritten, nämlich bretonischen
Großen, ausging? Das behauptet die sog. Tradition bretonne, deren Quellen-
grundlage aber fraglich ist. Vgl. Petit-Dutaillis, p. 94; Cartellieri IV, 1,
S. 1814.
6 Stat. et Gons. Norm. I, p. 32 (s. oben S. 93). Vgl. Livres de Jostice
et de Plet. III, 6 § 9; XIX3, 7, § 9. Anc. Gont. d’Anjou bei Viollet, Etabliss.
de St. Louis III, p. 11.
7 P. 463ss.
8 J. Bedier, Les legendes epiques. Paris 1908ff.
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Ferner aber ist die Ladung in Gewißheit des Todes Arthurs
ergangen. Damit fällt die Annahme von Guilhiermoz1 dahin, daß
schon Ostern 1203 ein Kontumazialurteil gefällt worden sein könnte.
Denn noch im Oktober 1203 belehnt Philipp den Guy de Thouars
mit den Schlössern Brissac und Chamille2
reserve le droit d'Arthur si ce prince est en vie.
Doch selbst wenn man das Urteil lediglich auf Gerichts-
versäumnis und somit auf eine Fiktion gründen wollte
— il en seroit ausin bien corpables comme s’il aüst fait le fait
et come sAl Vaüst queneu, et si en seroit penduz, tout ne Vaüst pas
fait —
wie die Etablissements de St. Louis3 in so naiver Deutlichkeit
sagen — so wäre eine solche relative Urteilswirkung angesichts der
substantiierten Ladung doch völlig unverständlich. Vielmehr ist
anzunehmen, daß Johann erst geladen wurde, als Arthurs Tod
bereits feststand und das dürfte nach der ansprechenden Ver-
mutung Cartellieris4, nicht vor Johanns Abreise nach England
(Dezember 1203) der Fall gewesen sein5. Dann kommt als Zeit-
punkt für die Verurteilung erst Ostern 1204 in Betracht, und in
dieser Zeitspanne ließen sich auch drei Ladungen bequem unter-
bringen, selbst wenn man für sie die Fristen der statuta et consue-
tudines Normanniae und der andern Rechtsbücher6 als maßgebend
annehmen wollte.
Nun wäre freilich noch die Glaubwürdigkeit der Annalen von
Margham einer Prüfung zu unterziehen. Powicke7 behandelt sie
alseine Quelle ersten Ranges. Er vertritt im Anschluß an Bedier8
die Ansicht, daß die Güte einer annalistischen Quelle weniger von
1 A. a. O.
2 L. Delisle, Catalogue des actes de Philippe-Auguste, Paris 1856,
Nr. 783, p. 177. Ygl. Nr. 752, p. 175, März 1203: Maurice de Craon fait Hom-
mage ä Philippe-Auguste pour tout le temps qu’ Artur sera en prison.
3 I, c. 88.
4 IV, 1, S. 180.
5 Ob die Ladungsbitte auch hier von Dritten, nämlich bretonischen
Großen, ausging? Das behauptet die sog. Tradition bretonne, deren Quellen-
grundlage aber fraglich ist. Vgl. Petit-Dutaillis, p. 94; Cartellieri IV, 1,
S. 1814.
6 Stat. et Gons. Norm. I, p. 32 (s. oben S. 93). Vgl. Livres de Jostice
et de Plet. III, 6 § 9; XIX3, 7, § 9. Anc. Gont. d’Anjou bei Viollet, Etabliss.
de St. Louis III, p. 11.
7 P. 463ss.
8 J. Bedier, Les legendes epiques. Paris 1908ff.