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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0108
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108

Heinrich Mitteis:

druck exheredatus sehr charakteristisch und steht in prägnantem
Gegensatz zu dem oben erwähnten diffidatus des Lehnrechts.
Petit-Dutaillis1 begeht den methodischen Fehler, die beiden Aus-
drücke einander völlig gleichzusetzen; ja er hat sich sogar im
Titel seines Buches höchst seltsam vergriffen, denn eine Schrift,
die darauf hinzielt, die lehnrechtliche Verurteilung Johanns als die
einzig historisch erweisbare hinzustellen und das Märchen von der
exheredatio Johanns ein für allemal zu beseitigen, durfte nicht
gerade das Wort „desheritement“ in ihren Titel aufnehmen, das
von den Quellen gerade für diese Aktion gebraucht wird. Schon
das mußte ihm auffallen, daß in beiden, auf authentische Äußerun-
gen Johanns zurückgehenden Stellen, die nach der lehnrechtlichen
Verurteilung vom 28. April 1202 liegen, davon die Rede ist, daß
Philipp August die exheredatio „unaufhörlich anstrebe“. Das wäre
doch völlig sinnlos, wenn sie schon erfolgt gewesen wäre! Man
sieht im Gegenteil, daß Johann schon im Sommer 1202 sich dessen
bewußt war, daß sein grausam kalt rechnender Widersacher ihn
noch tiefer tief zunichte machen, ihn in England selbst aus dem
Sattel heben wollte. Denn exheredare heißt nicht einfach ent-
erben, sondern noch weiter: erb unfähig machen, aktiv und
passiv die erbrechtliche Rechtsstellung des Betroffenen aufheben.
Das erhellt ganz klar aus den Verhandlungen der Gesandten mit dem
Papst in Todi. Dieser wendet ihnen ein, Johann sei nicht erb-
unfähig geworden, da er weder ein Majestätsverbrechen noch Ket-
zerei begangen habe2; sie replizieren:
,.,Consuetudo est in regno Franciae, quod ex quo aliquis est dam-
natus ad mortem, quod proles suscepta post sententiam dam-
nationis succedere non debet; geniti tarnen ante sententiam
succedere d bentF
Also beschränken die Gesandten das oben Gesagte auf die
nachgeborne Nachkommenschaft — was für Philipps Zwecke ge-
nügte, da Johann bis 1207 kinderlos geblieben war3. Leider ist es
nicht möglich, den berufenen Rechtssatz aus gleichzeitigen Quellen
als geltendes Recht zu erweisen. Aber nachdem, wie wir oben sahen,
das sonstige prozessuale Vorbringen der Gesandten sich als juri-
stisch gut fundiert herausgestellt hat, spricht fast eine Vermutung
dafür, daß sie auch das französische Erbunwürdigkeitsrecht richtig
1 A. a. O., p. 9ss.
, 2 Roger von Wendover, a. a. O., p. 600.
3 Siehe die Stammtafeln am Schlüsse des IV. Bandes von Cartellieri.
 
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