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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0109
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Politische Prozesse.

109

dargestellt haben. Im übrigen kommt für unsre Forschung wenig
darauf an — bewiesen sollte ja nur werden, daß auch von dieser
Seite die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit eines zweiten Ver-
fahrens eine scharfe Beleuchtung erfährt. Aber höchst auffallend
ist, daß der Papst selbst diesen Gesichtspunkt, ja schließlich die
ganze Verurteilung Johanns als richtig unterstellt; denn obwohl
die Gesandten ihn gar nicht unter Beweis stellen wollten, fährt
die Quelle fort:
Item dicit Papa, quod licet rex Angliorum judicatus esset ad
mortem, et etiam filii de carne sua geniti, non ideo Bianca debet ei
succedere, sed propinquiores de genere eius . . .
d. h. er spielt den Streit mit höchster diplomatischer Geschick-
lichkeit auf rein genealogische Fragen hinüber! Schließlich endete
die Sache mit einem non liquet —- Innozenz hat bis zu seinem Tode
die den Gesandten zugesagte schiedsrichterliche Entscheidung1 nicht
getroffen: ob er sie noch vorbereitet hat und zwar zu Ungunsten
Ludwigs und Philipps, wie Guillelmus Brito2 behauptet, ist nicht
mit voller Sicherheit festzustellen; es ist aber anzunehmen, daß
Innozenz sich als Wahrer des Legitimitätsprinzips, als Schützer des
character indelebilis des gesalbten Königs gegen die unbeschränkte
kriminelle Verfolgbarkeit aus der Idee der Territorialhoheit heraus
gewendet hätte. Im Effekt haben dann die kriegerischen Ereignisse
Philipps3 Pläne vernichtet, sowie die kluge Politik Honorius III.,
der die Magna Charta anerkannte und um des für seine Ivreuzzugs-
pläne so wichtigen Gleichgewichts der Mächte willen zum Friedens-
schluß zwischen Frankreich und England und zur Anerkennung
Heinrichs III., des Sohnes jenes Johann, drängte. So blieb es
dabei: jene zweite Verurteilung Johanns, wenn sie überhaupt statt-
gefunden hat, war ein Schlag ins Wasser; der Angriff Philipps auf
England brach zusammen, wenn auch Rechtsgründe vorhanden
waren, die ihn stützen konnten.

X.
Mit der Schilderung dieser letzten Vorgänge haben wir bereits
den selbstgewählten zeitlichen Rahmen gesprengt, den wir um
1 .Roger von Wendover, a. a. O., p. 663: Novissime vero dicit papa,
quod ipse statuet super his anlequam veniant nuncii domini Walonis.
2 Vgl. Cartellieri IV, 530, A. 1. QEuvres de Ricord et de Guillaume
le Breton ed. Delaborde, p. 306.
3 Zum folgenden Cartellieri, a. a. O., S. 530ff.
 
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