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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0110
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110

Heinrich Mitteis:

unsere Arbeit gelegt hatten. Denn nur für drei Jahrhunderte, die
dunkelsten der Rechtsgeschichte, sollten die politischen Prozesse
wie an einem Faden aufgereiht an der Leitidee des Kontumazial-
verfahrens, vorgeführt werden. Natürlich ist diese Grenzziehung
willkürlich, wie jede historische Periodisierung. Und doch wohnt
ihr ein tieferer Sinn inne.
Freilich wäre es noch möglich, sowohl in Deutschland als auch
in Frankreich eine Reihe weiterer Prozesse namhaft zu machen,
an denen sich unser Prinzip bewähren würde, die noch nach genau
demselben Schema gebaut sind. In der Literatur sind verschiedene
von ihnen namhaft gemacht worden. So ist etwa zu erinnern an
das Verfahren gegen den Mörder Philipps von Schwaben1, Pfalz-
graf Otto von Wilhelmsburg und die als Mittäter Verdächtigten,
Markgraf Heinrich von Istrien und den Bischof Ekbert von Bam-
berg. Es war dies ebenso ein regelrechtes Kontumazialverfahren
mit Achtfolge wie das Verfahren von 1225 gegen Friedrich von
Isenburg2, den Mörder Engelberts von Köln; zu gedenken wxäre
ferner des Prozesses gegen Friedrich den Streitbaren von Öster-
reich von 1236. Freilich gäbe es auch aus diesen Prozessen für den
Rechtshistoriker manches zu lernen. Vor allem im letztgenannten
Falle ist es noch immer bestritten, ob es sich um ein land- und
lehnrechtliches Doppelverfahren nach Analogie des Prozesses gegen
Heinrich den Löwen oder um ein nur landrechtliches Achtverfahren
mit akzessorischer Lehnseinziehung handelte3. —
Aber weit in das 13. Jahrhundert hinein wären wir nicht mehr
gekommen. Schon in dem berühmten Prozesse Ottokars von
Böhmen treten neue Motive in der Durchführung des Verfahrens
gegen einen säumigen Fürsten auf, die auf eine ganz andere als die
bisher gezeichnete Entwicklungsreihe zurückweisen. Hierzu seien,

1 Franklin, Reichshofgericht I, S. 103; Güterbock I, S. 135; Haller
393; Niese 224. Das Urteil MG. Const. IV, p. 209.
2 In diesem Prozesse ist rechtsgeschichtlich besonders beachtenswert,
daß es das Hofgericht ablehnt, den abwesenden Beklagten als handhaften
Täter sofort zu verurteilen, vielmehr auf dessen Ladung besteht und erst nach
deren Mißachtung zum Kontumazialurteil gelangt. Vgl. die Annales Rein-
hardsbrunnenses bei Güterbock I, S. 137: Audiens autem nobilis Fredericus
de Trunden reclamavit, dicens, pocius esse reum peremplorie citandum
iuxta ius suum, quam in presenti proscribi.
3 Für ersteres Güterbock II, S. 132, Note 7 gegen Niese 225. Ich neige
der GüTERBocKSchen Auffassung zu.
 
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