Politische Prozesse.
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abgesonderten Bestandteil bilden, man könnte es in Anlehnung an
die moderne Eigentümerhypothek ein „Eigentümerlehen“ nennen.
Es trat also keine Konsolidation von Eigentum und Lehnrecht in
der Hand des Eigentümers ein.
In weiterer Konsequenz davon mußte es als unnatürlich
erscheinen, diesen Zustand über eine gewisse Zeit hinaus aufrecht-
zuerhalten. Das Lehn strebt also aus der Eigentumssphäre wieder
hinaus und in seine eigene Rechtssphäre zurück.
Gerade umgekehrt ist das französische Lehnrecht des 12. Jahr-
hunderts zu einer gewaltigen Verstärkung des persönlichen Treu-
bands im Lehnsverhältnis gekommen. Und zwar können wir eine
ganz bestimmte, spezifisch französische Ausgestaltung des Lehns-
verhältnisses namhaft machen, die hier im Spiele gewesen sein
muß, das ist die Ligesse, das ligische Lehnsverhältnis.
Freilich betreten wir auch bei seiner Schilderung wieder relativ
unerforschtes Gebiet. Noch bis vor kurzem galt die Ligesse als
eine mehr ornamentale Nebenbestimmung des Lehnsvertrages,
deren Ursprung und Bedeutung im übrigen unklar sei. Noch
Waitz1 bezeichnete in seiner Deutschen Verfassungsgeschichte die
Ligesse als eine in Lothringen vorkommende „Bezeichnung“ der
Mannschaft nach französischem Muster, drückte sich aber über den
Sinn dieser Bezeichnung höchst unbestimmt aus. Erst die schon
mehrfach erwähnten Arbeiten Flachs haben für Frankreich die
Aufmerksamkeit der Forschung auf die Ligesse gelenkt, und auf
ihnen beruht es, daß R. Holtzmann in seiner französischen Ver-
fassungsgeschichte dem ligischen Lehnsverhältnis längere Aus-
führungen widmet, die zumindest als eine vorläufige Zusammen-
fassung der Ergebnisse zu werten sind. Er bezeichnet das homagium
ligium als „den alten strengen Lehnsvertrag“, in dem der Vasall
dem Herrn „in alter Weise die unbedingte Treue gelobt“. Ur-
sprünglich nur einem Herrn gegenüber möglich,wurde dieser un-
bedingte Lehnseid im 12. Jahrhundert durch ein raffiniertes System
von Vorbehaltsklauseln der Vervielfältigung zugänglich. Indessen
stellt dies nur den Anfang eines Zersetzungsprozesses dar, der zu-
nächst wenigstens das Wesen des homagium ligium nicht tangierte;
immer noch blieb es das viel strengere Band gegenüber dem homa-
gium simplex.
Das Verdienst Holtzmanns ist es insbesondere, daß die kurz
vorher aufgestellte Theorie Pirennes von der Natur der Ligesse
1 VI, S. 58.
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abgesonderten Bestandteil bilden, man könnte es in Anlehnung an
die moderne Eigentümerhypothek ein „Eigentümerlehen“ nennen.
Es trat also keine Konsolidation von Eigentum und Lehnrecht in
der Hand des Eigentümers ein.
In weiterer Konsequenz davon mußte es als unnatürlich
erscheinen, diesen Zustand über eine gewisse Zeit hinaus aufrecht-
zuerhalten. Das Lehn strebt also aus der Eigentumssphäre wieder
hinaus und in seine eigene Rechtssphäre zurück.
Gerade umgekehrt ist das französische Lehnrecht des 12. Jahr-
hunderts zu einer gewaltigen Verstärkung des persönlichen Treu-
bands im Lehnsverhältnis gekommen. Und zwar können wir eine
ganz bestimmte, spezifisch französische Ausgestaltung des Lehns-
verhältnisses namhaft machen, die hier im Spiele gewesen sein
muß, das ist die Ligesse, das ligische Lehnsverhältnis.
Freilich betreten wir auch bei seiner Schilderung wieder relativ
unerforschtes Gebiet. Noch bis vor kurzem galt die Ligesse als
eine mehr ornamentale Nebenbestimmung des Lehnsvertrages,
deren Ursprung und Bedeutung im übrigen unklar sei. Noch
Waitz1 bezeichnete in seiner Deutschen Verfassungsgeschichte die
Ligesse als eine in Lothringen vorkommende „Bezeichnung“ der
Mannschaft nach französischem Muster, drückte sich aber über den
Sinn dieser Bezeichnung höchst unbestimmt aus. Erst die schon
mehrfach erwähnten Arbeiten Flachs haben für Frankreich die
Aufmerksamkeit der Forschung auf die Ligesse gelenkt, und auf
ihnen beruht es, daß R. Holtzmann in seiner französischen Ver-
fassungsgeschichte dem ligischen Lehnsverhältnis längere Aus-
führungen widmet, die zumindest als eine vorläufige Zusammen-
fassung der Ergebnisse zu werten sind. Er bezeichnet das homagium
ligium als „den alten strengen Lehnsvertrag“, in dem der Vasall
dem Herrn „in alter Weise die unbedingte Treue gelobt“. Ur-
sprünglich nur einem Herrn gegenüber möglich,wurde dieser un-
bedingte Lehnseid im 12. Jahrhundert durch ein raffiniertes System
von Vorbehaltsklauseln der Vervielfältigung zugänglich. Indessen
stellt dies nur den Anfang eines Zersetzungsprozesses dar, der zu-
nächst wenigstens das Wesen des homagium ligium nicht tangierte;
immer noch blieb es das viel strengere Band gegenüber dem homa-
gium simplex.
Das Verdienst Holtzmanns ist es insbesondere, daß die kurz
vorher aufgestellte Theorie Pirennes von der Natur der Ligesse
1 VI, S. 58.