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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 5. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 3: Neue Quellenstücke zur Theologie des Johann von Wesel — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38927#0032
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32

Gerhard Ritter:

Das Schriftchen zerfällt in drei, durch recht mühsam-pedan-
tische Überleitungen markierte Teile, die inhaltlich keineswegs
einen geschlossenen Gedankenfortschritt bieten. Die Einleitung
(S. 117 bei Walch) bezeichnet ihren Inhalt so:
1. Quae vere sint Pontificii muneris partes,
2. Quatenus Pontificum scita arctant christianos,
3. Quid magistratus nomine plebeis hominibus imponi possit, aut
certe jure debeat principum titulo et nomine.
Der erste Teil (S. 118—142) geht aus von dem Satze, daß die
Aufgabe der Päpste die Lehre der lexDei sei, und daß ihre Autorität
sich ausschließlich auf diese Vermittlerrolle beschränke. Nicht als
Personen, sondern nur als Träger dieses Amtes sind sie zu achten,
und nur soweit ihre Worte übereinstimmen mit der heiligen Schrift,
haben sie irgendwelche Gültigkeit. Von hier aus wird nun eine über
alle Maßen leidenschaftliche Kritik an dem Stolz, der Prunksucht,
den Herrschaftsgelüsten, der Gewalttätigkeit, der Habgier der Päpste
und des Klerus überhaupt geübt, die ihre Untergebenen ausbeuten,
die ihre Schafe schlachten, statt sie zu weiden, die sich gottähnlich
dünken usw. Das Beispiel des Apostels Paulus und seiner selbst-
losen Demut wird ihnen vorgehalten und schließlich der Kom-
munismus der christlichen Urgemeinde heraufbeschworen, um den
(mit scharf revolutionärer Wendung ausgesprochenen) Gedanken
von der natürlichen Gleichheit aller Menschen vor Gott(alle Herr-
schaft ist nur Dienst! der Mensch herrsche über die Tiere, nicht
aber über Mitmenschen!) doppelt zu unterstreichen.
Von alledem findet sich der theologische Grundgedanke und
manches einzelne auch bei Wesel. Die ,,Cathedra Mosis“ (Mt. 23, 2),
die Lehrkanzel als Grundlage des geistlichen Amtes (Walch S. 118)
spielt auch in unsern Texten eine ähnliche Rolle (vgl. B 1); das
Beispiel Pauli kehrt in der Synodalpredigt Wesels (B 11) wieder,
die —- wie natürlich — auch eine ganze Reihe ähnlicher Ausfälle
gegen den Luxus, die Habgier, Herrschsucht usw. des Klerus ent-
hält. Wenn der anonyme Traktat die päpstlichen Dekretalen ein-
mal als farinae papisticae bezeichnet (S. 122), so erinnern wir uns
der kritischen Haltung Wesels gegenüber der Autorität eben dieser
Dekretalen, und ähnlich wie dem Anonymus (S. 125/6) flößt auch
ihm das Alter der kanonischen Satzungen keinen besonderen Re-
spekt ein. Die Berufung auf 1. Cor. 4, 1 (,,ministri et dispensatores
mysteriorum Deiu) kehrt hier wie dort wieder; das ,,despicio nomen
 
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