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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 4. Abhandlung): Kyrios Jesus: eine Untersuchung zu Phil. 2,5-11 — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38938#0008
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Ernst Lohmeyer:

in dem es steht, von Paulus niedergeschrieben ist, läßt sich leicht
beantworten. Es tritt in einem Relativsatz auf, es geht über den
paränetischen Zusammenhang nicht nur weit hinaus, sondern ist
auch nur lose mit ihm verknüpft. Der Streit der Kommentatoren,
welcher ethische Begriff durch den Hinweis auf die Gestalt Christi
erläutert werden solle, macht das am deutlichsten. Deshalb ist
auf diese erste Frage nur zu antworten, daß es vor Abfassung des
Philipperbriefes konzipiert und geformt ist. Ist es dann überhaupt
von Paulus geschaffen ? Wohl sind sonst hymnische Stücke aus
paulinischen Briefen bekannt1 * *. Aber selbst das hohe Lied der
Liebe, das seiner dichterischen Form wie seinen einleitenden Worten
nach an erster Stelle steht, zeigt nicht die Strenge der strophischen
Bildung und die bis ins Feinste durchgeführte Gliederung, die
dieses Gedicht besitzt. Wird es schon aus dieser allgemeinen Be-
obachtung zweifelhaft, daß Paulus der Dichter ist, so macht es der
Sprachgebrauch gewiß. Dieses Lied zeigt eine Fülle einzigartiger
Wendungen. Allen voran steht der Ausdruck: ap7rocygov pysujAoa;
andere Wörter sind in einem Sinn gebraucht, den sie sonst hei
Paulus nirgends haben wie xsvouv, Taxsivouv, wrspu^ouv, gopcpp, ayr^a.
Die Dreigliederung des Kosmos in „himmlische, irdische und unter-
irdische“ Welt findet sich nur hier; oupCxsabm oop — eine Wen-
dung, mit der es freilich seine besondere Bewandtnis hat — ist
nicht nur unpaulinisch, sondern ungriechisch. Zu diesen sprach-
lichen Kriterien gesellt sich endlich ein sachliches: Der Ausdruck
Aavaroo Ss araupou ist formell und sachlich nur als ein paulinischer
Kommentar zu einem gegebenen piypi havocTou zu begreifen, wie
später klar werden wird. Aus allen diesen Momenten wird der
Schluß notwendig, daß dieses Gedicht eine fremde, von Paulus
erst übernommene Schöpfung darstellt; es ist eine Art überlieferten
urchristliehen Chorals.
Vielleicht läßt sich sein Ursprung noch etwas genauer bestim-
men. Mannigfache Seltsamkeiten der Wortstellung und der syn-
taktischen Fügung begegnen hier. Am auffallendsten ist vielleicht
die zweite Strophe. Das Partizipium Aoristi: gopcp7]v SoöXou Xocßcov
charakterisiert nicht einen Nebenumstand, unter dem die „Ent-
äußerung seiner selbst“ erfolgte, es geht auch nicht, wie das Tempus
zu behaupten scheint, der Tat der Kenose zeitlich oder sachlich
1 z. B. Röm. 11, 33—36; II. Kor. 1, 3—-7; 4, 8—10; gerade in Phil, sind
solche Stücke häufiger z. B. 3, 20. 21; 4, 12. 13; vgl. meinen Kommentar
(Meyer IX8) z. St.
 
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