Metadaten

Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 4. Abhandlung): Kyrios Jesus: eine Untersuchung zu Phil. 2,5-11 — Heidelberg, 1928

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38938#0034
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
34

Ernst Lohmeyer:

Die zweite Strophe schildert den Eintritt der göttlichen Ge-
stalt in das menschliche Dasein. Drei Verben bezeichnen ihn, jedes-
von ihnen beherrscht eine Zeile. Mit Nachdruck ist das Haupt-
verbum vorangestellt: socutov exevwaev. Man könnte eine leichte
formale Unregelmäßigkeit darin finden, daß es nicht wie in den
meisten anderen Strophen als die formale und sachliche Mitte in
der zweiten Zeile steht. Aber auch dieses scheint wohl erwogen; in
ähnlicher Weise steht auch in der vierten Strophe das Hauptver-
bum in der ersten Zeile. Und beide Male handelt es sich um die ent-
scheidenden Taten, durch die der Übergang von dem einen zum
anderen Dasein geschildert wird. So leitet das Wort exsvwusv das
menschliche Dasein, so das u7rspu^«G£v das Kyriosdasein ein.
Die Bedeutung von xsvouv ist zweifellos die von „entleeren“* 1:
sie ruft das Bild eines Gefäßes wach, dessen Inhalt ausgeschüttet
wird, so daß die Form erhalten bleibt. Wollte man auch hier in
strengem Sinne das Bild durchführen, so müßte ein Etwas angebbar
sein, das in dieser Entleerung gewahrt bliebe, und dieses Etwas
könnte nur die göttliche Gestalt sein, „in der“ Christus ist. Aber
gerade diese Gestalt wird abgetan. So wird hier zunächst bestätigt,
daß der Begriff der Gestalt sich nicht mit dem Äußeren deckt,
das selbst veränderlich ein unveränderliches Innere umschließt;
in ihm ist, was innen ist, auch außen und, was außen ist, auch innen.
Die Gestalt ist das Wesen selbst. Dann kann auch das Wort
xsvouv nur im Sinne einer völligen Preisgabe, eines restlosen
Sich-opferns verstanden werden. Mit anderen Worten, es ist kein
mythischer, sondern trotz oder auch gerade wegen der mythischen
Erzählung ein rein ethischer Begriff. So verbindet die Sphäre
genauer Menschensohn (s. u. S. 69f.) nicht erst von Jesus vorgenommen, sondern,
traditionell gegeben ist. Das erstere meint Kattenbusch, Festgabe f. Karl
Müller 1922; der Beweis würde hier vom Thema abführen.
1 Zu dieser Bedeutung vgl. etwa Jos. Ant. VIII 10, 3: iau'A^az -6 Lepöv
xod Toüp -9-7)CTaupouc, exsvcoas hsoü ts xod ßaaDaxoüp. Dem Sinne von „preis-
geben, verkaufen“ steht es in einer Stelle aus den Meliamben des Kerkidas
näher (P. Oxy. VIII 1082 Fragm. I, 2, 5ff.: peicc yap Icm 9scf> ttocv ix-sAsaon
Xpt)g’ oxx’ im vouv l'p, 7] tov puTroxißSoToxcovcc xod Tshvaxo^ocXxlSav t) tov ttoAiv-
sx^ugsvtrav töv xxedvtov oZeftpov toutov xsvcoaca tox; auo TÜXouToauvap. Vgl. fer-
ner Vettius Valens 90, 7 Kroll 6 T?j<; -äspixoiTjascoc; xupiop svccvTioügsvoi; ™
TOpi-xoiTjgocTi xevot tcc^ uTidp^sii;. Ibid. 109, 30: xsvcoaiv ßlou. In LXX findet
sich das Passiv xsvoüaDm nur Jer. 14,2: 15, 9 von dem Schrecken der krie-
gerischen Verwüstung und der Geburt; im NT nur bei Paulus Röm. 4, 14, I.
Kor. 1, 17; 9, 15; II. Kor. 9, 3, aber immer auf den Gehalt des Glaubens
bezogen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften