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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 4. Abhandlung): Kyrios Jesus: eine Untersuchung zu Phil. 2,5-11 — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38938#0057
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Kyrios Jesus.

57

Die beiden letzten Strophen sind dadurch zu einer formalen
und sachlichen Einheit verschmolzen, daß sie den Parallelismus
membrorum eines deuterojesajanischen Zitates in eigentümlicher
Weise umbilden1. Paulus hat das gleiche Wort als Zitat auch Röm.
14, 11 verwandt; hier steht es ohne ein einleitendes ysypa7CToa
als ein zeitloser und erfüllter Ausdruck der bisherigen Gedanken.
Dort ist es bestimmt, die eigene Anschauung gültig zu beweisen,
hier sie unmittelbar auszusprechen. Der Unterschied ist kaum ganz
zufällig; denn in ihm ist der weitere Unterschied zwischen didakti-
scher und pneumatischer Rede gesetzt2. Der Geisterfüllte — und
das ist auch der Sänger dieses Psalmes — kann und muß in den
Worten heiliger Schrift leben und aus ihnen sprechen, weil es der
gleiche Geist ist, der sie und ihn erfüllt. Für den Missionar sind sie
letzte Autorität, auf die die eigene Predigt sich begründen kann und
von der sie selbst darum unterschieden bleibt. In der Art wie
dieses prophetische Wort in den Gedankengang eingefügt ist, be-
kundet sich dann von neuem Art und Geist eines Psalmes.
Wenn hier in alttestamentliche Worte der Psalm mündet, so
ist auch eine tiefe sachliche Redeutung dieser Worte für den Inhalt
des Gedichtes nicht zu verkennen. Keine Andeutung hat bisher
verraten, daß alles geschilderte Geschehen an einer bestimmten
Stelle des Kontextes von Geschichte und Zeit gleichsam angesiedelt
ist. Es ist gerade die eigentümliche Größe des Psalmes, daß sein
zeitliches Geschehen aus der Ewigkeit eines göttlichen Denkens
hervorgeht und wieder in die Ewigkeit eines göttlichen Seins
zurückleitet. Es ist allein dem Geschehen zu vergleichen, durch
das am ersten Tage Gott die Welt ins Dasein rief, ist in strengem
Sinne eine neue Schöpfertat. Vermag nun mit alttestamentlichen
Worten Sinn und Ziel dieser Geschichte treffend gepriesen zu wer-
den, so steht damit der ganze Zusammenhang einer vergangenen
Geschichte auf. In ihn ist auch dieses Geschehen unlöslich ver-
flochten; seine völlige „Neuheit“ ist nichts anderes als das, was
von Gott her immer war; und es ist wie dieses ewig Gestrige der
1 Jes. 45, 23; die Stelle lautet nach LXX:
oti egoi. YÄ\±<\)ei ttocv yovu
xal öfxsLToa nocaoc y^öacjoc tov -9-söv.
Statt ogelTat, (K* B) lesen AQ: s^ogoXoyTjaETai.
2 Auch die Apok. Joh. kennt keine Zitationsformeln, obwohl jede
ihrer Visionen von Anspielungen auf alttestamentliche Worte voll ist; vgl. mei-
nen Kommentar, S. 191 f.
 
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