82
Ernst Lohmeyer:
an diese himmlische Tat geknüpft werden, die durch den Menschen-
sohngedanken gefordert sind. Wie kann man aus der hohenpriester-
lichen Idee es ableiten wollen, daß er zum „Erben des Alls“ wird
und zur „Rechten Gottes“ erhöht ist? Es sind deutlich Bestim-
mungen, die die Kyrioswürde des „Menschensohnes“ umschreiben;
wie sie deshalb' durch einen Gedankengang bedingt sind, der dem
unseres Psalmes gleich ist, so mit ihnen auch die anderen sogenann-
ten urtümlichen Züge urchristlicher Eschatologie, die im Hebräer-
brief sich finden. Darum die enthusiastische Sehnsucht nach dem
Kommen des Herrn, darum die Betonung der Hoffnung, des Aus-
haltens bis zum Ende; jetzt ist der Tag nahe, „noch ist eine kleine
Weile, da kommen wird, der kommen soll, und wird nicht säumen“.
So stellt die Christologie des Hebräerbriefes sich als eine Ver-
bindung des Menschensohngedankens mit der Idee des Kultus dar;
und worin ist diese begründet ? Die Frage, die hier nur in aller
Kürze zu beantworten ist, vermag das Verhältnis zu demGedanken-
gefüge des Philipperhymnus noch schärfer zu beleuchten. Eine
doppelte göttliche Aufgabe war der Sendung des „Sohnes“ gestellt:
„daß er den Teufel vernichte, der die Macht des Todes hat, und
befreie, die durch Todesfurcht ein ganzes Leben hindurch der Skla-
verei verfallen waren“ (2, 14). Ist die erste Aufgabe auch in dem
Christusliede angedeutet, so führt die zweite den Begriff der gläubi-
gen Gemeinde ein. Auch er ist in unserem Psalm wohl vorausgesetzt,
aber er ist für die Bestimmung des Werkes dieser göttlichen Gestalt
nicht konstitutiv. Hier aber ist die Gemeinschaft dem Herrn und
dieser der Gemeinschaft unlöslich zugeordnet. Auch in solcher
Weiterbildung sind ursprüngliche Ansätze des Psalmes nicht zu
verkennen. Denn auch dort ist das christologische Drama letztlich
nicht von dem Gedanken einer Vorbereitung in der Vergangenheit
zu trennen; es wäre sonst unmöglich, den Triumph des Kyrios
mit geheiligten Worten des Alten Testamentes zu schildern. Wohl
ist es die Größe des Psalmes, daß er dieses göttliche Geschehen rein
von der Seite Gottes her als Vollendung dessen setzt, was die Absicht
der Weltschöpfung war, und sie als „neue Schöpfung“ der einstigen
gegenüberstellt. Aber eben in diesem Begriff der Vollendung ist
der Gedanke der Vorbereitung in der Geschichte mit enthalten.
Er aber führt notwendig auf den Gedanken einer Gemeinschaft,
die zugleich Empfängerin und Trägerin solcher vorbereitenden
Taten Gottes ist; hat sie diese Aufgabe auch nur für die Gesamtheit
der Welt, so kann sie sie geschichtlich doch nur als eine konkrete,
Ernst Lohmeyer:
an diese himmlische Tat geknüpft werden, die durch den Menschen-
sohngedanken gefordert sind. Wie kann man aus der hohenpriester-
lichen Idee es ableiten wollen, daß er zum „Erben des Alls“ wird
und zur „Rechten Gottes“ erhöht ist? Es sind deutlich Bestim-
mungen, die die Kyrioswürde des „Menschensohnes“ umschreiben;
wie sie deshalb' durch einen Gedankengang bedingt sind, der dem
unseres Psalmes gleich ist, so mit ihnen auch die anderen sogenann-
ten urtümlichen Züge urchristlicher Eschatologie, die im Hebräer-
brief sich finden. Darum die enthusiastische Sehnsucht nach dem
Kommen des Herrn, darum die Betonung der Hoffnung, des Aus-
haltens bis zum Ende; jetzt ist der Tag nahe, „noch ist eine kleine
Weile, da kommen wird, der kommen soll, und wird nicht säumen“.
So stellt die Christologie des Hebräerbriefes sich als eine Ver-
bindung des Menschensohngedankens mit der Idee des Kultus dar;
und worin ist diese begründet ? Die Frage, die hier nur in aller
Kürze zu beantworten ist, vermag das Verhältnis zu demGedanken-
gefüge des Philipperhymnus noch schärfer zu beleuchten. Eine
doppelte göttliche Aufgabe war der Sendung des „Sohnes“ gestellt:
„daß er den Teufel vernichte, der die Macht des Todes hat, und
befreie, die durch Todesfurcht ein ganzes Leben hindurch der Skla-
verei verfallen waren“ (2, 14). Ist die erste Aufgabe auch in dem
Christusliede angedeutet, so führt die zweite den Begriff der gläubi-
gen Gemeinde ein. Auch er ist in unserem Psalm wohl vorausgesetzt,
aber er ist für die Bestimmung des Werkes dieser göttlichen Gestalt
nicht konstitutiv. Hier aber ist die Gemeinschaft dem Herrn und
dieser der Gemeinschaft unlöslich zugeordnet. Auch in solcher
Weiterbildung sind ursprüngliche Ansätze des Psalmes nicht zu
verkennen. Denn auch dort ist das christologische Drama letztlich
nicht von dem Gedanken einer Vorbereitung in der Vergangenheit
zu trennen; es wäre sonst unmöglich, den Triumph des Kyrios
mit geheiligten Worten des Alten Testamentes zu schildern. Wohl
ist es die Größe des Psalmes, daß er dieses göttliche Geschehen rein
von der Seite Gottes her als Vollendung dessen setzt, was die Absicht
der Weltschöpfung war, und sie als „neue Schöpfung“ der einstigen
gegenüberstellt. Aber eben in diesem Begriff der Vollendung ist
der Gedanke der Vorbereitung in der Geschichte mit enthalten.
Er aber führt notwendig auf den Gedanken einer Gemeinschaft,
die zugleich Empfängerin und Trägerin solcher vorbereitenden
Taten Gottes ist; hat sie diese Aufgabe auch nur für die Gesamtheit
der Welt, so kann sie sie geschichtlich doch nur als eine konkrete,