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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 4. Abhandlung): Kyrios Jesus: eine Untersuchung zu Phil. 2,5-11 — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38938#0083
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Kyrios Jesus.

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von dieser Welt gesonderte Gemeinschaft tragen. So fordert denn
auch der Gedanke der in Christus gesetzten Vollendung den Bestand
einer geschichtlich gesonderten Gemeinde. Und auch sie kann dann
zu der anderen Gemeinschaft, welche als die Trägerin jener Vor-
bereitung gewußt wird, nur in dem Verhältnis der Erfüllung stehen.
Alle diese Momente sind in der einfachen Tatsache, daß von den
Gläubigen als einer exxMjala oder mit den Worten des Hebräer-
briefes als des „Samens Abrahams“ gesprochen wird, notwendig1.
Ist aber dieser Begriff aus bestimmten geschichtlichen Gründen
nicht ohne den Gedanken von Gesetz und Kultus möglich, sind
diese die Repräsentanten der religiösen Bestimmung, welche
„Israel“ zu tragen hatte, so muß auch das neue oder wahre Israel
zu ihnen in Beziehung gesetzt werden. Es muß als kultische Ge-
meinschaft verstanden werden können, und Norm wie Träger der
Gemeinschaft kann nur der sein, der sie von Gott her begründet.
So ergibt sich die Notwendigkeit, den Herrn und seine Gemeinde eng
zusammen zu denken, enger als es im Psalm gegeben war, wo der
Blick nur auf die Erfüllung des göttlichen Sinnes in einer göttlichen
Gestalt, nicht auch auf die geschichtliche Darstellung solcher Er-
füllung in einer Gemeinde gerichtet war. So wird es ferner not-
wendig, die Begründung solcher Gemeinde in kultischen Kategorien
zu begreifen, da der Kultus eines der Zeichen ist, die von den vor-
bereitenden Taten Gottes künden. So wird es endlich notwendig,
bestimmter von der bleibenden Einheit der göttlichen Gestalt zu
reden, sein Werk als den Ausdruck eines in allen Formen seines
Daseins gleich bleibenden persönlichen und ewigen Willens denken.
Mit anderen Worten, um dieser Gemeinschaft willen ist der Gott-
gesandte nicht mehr unbestimmt einer, der in göttlicher Gestalt
war, sondern bestimmter der Abglanz von Gottes Herrlichkeit,
kurz gesagt „der Sohn“; und um ihretwillen hebt ihn nicht ein
göttliches Wunder aus der Niedrigkeit des Todes in die göttliche
Stellung des Kyrios, sondern ist er seihst mächtig genug, aus
eigener Macht in das himmlische Heiligtum einzudringen.
So läßt sich sagen, daß die Christologie des Hebräerbriefes in
Übereinstimmung und Abweichung als eine Fortbildung der „Men-
schensohngedanken“ sich begreift, deren Grundzüge der Philipper-
psalm entfaltet hat, und daß umgekehrt diese Grundzüge von jener
entfalteten Christologie aus in ihrer reinen, von allem Geschicht-
lichen unverworrenen Eigenart lebendig und verständlich werden.
1 Vgl. dazu Lohmeyer, Vom Begriff der religiösen Gemeinschaft (Wiss.
Grundfragen, hsg. von R. Hönigswald, III), 16ff.

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