Die Ars dictandi des Thomas von Capua.
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Kollegheft eintrug, sei es daß er uns seine eigenen Schülerübungen
pietätvoll aufbewahrte.
Die Unterweisung in der ars dictandi war, soweit sie für
Thomas in Frage kam, Sache seiner juristischen Lehrmeister, der
Legisten wie der Kanonisten18, und es wäre daher des weiteren zu
prüfen, ob die ars sonst noch Spuren einer Herkunft aus diesem
Kreise an sich trägt. Gleich der Anfang des ersten Proemiums
bietet einen bedeutsamen Anhalt, denn das eindrucksvolle und
pathetisch weit ausholende Zitat aus der Dekretalensammlung des
Bernhard v. Pavia, die gerade während Thomas’ Studienzeit
erstmals kommentiert und glossiert wurde, und über die zweifellos
auch in Vicenza Vorlesungen stattfanden19, darf entweder als
Reminiszenz aus einem solchen Unterricht angesehen werden, oder
es entstammt der stilistischen Unterweisung selbst. Die besonders
hervorgehobene Absicht des zweiten Proemiums, sich an dem vor
allem gepriesenen Stil der römischen Kurie orientieren zu wollen,
könnte an sich sowohl der Einstellung der Legisten wie der Kano-
nisten entsprechen, denn beide waren gleichermaßen konservativ
18 Thomas studierte nach seinen eigenen Angaben (Brief VII, 7 der
Sammlung) die iura generalia, als Sohn der Kirche wohl vor allem die Kano-
nistik. Möglicherweise bestand überhaupt nur eine Fakultät an der Universi-
tät, wenigstens kennen wir nur Vertreter des römischen und kanonischen
Rechts: den Legisten Cacciavillanus, den Kanonisten Melendus und den
doctor utriusque iuris Lanfrancus, alle drei ehemalige bolognesische Lehr-
meister. Vgl. die S. 49 Anm. 12 zitierte Urkunde, sowie Sarti, De claris
archigymnasii Bononiensis professoribus (1769) S. 306, der nur Cacciavillanus
und Melendus erwähnt, und Savioli, Annali Bolognesi (1784), 2, 1 S. 264,
der alle drei zitiert ,,con altri di poco grido“, vielleicht der eine oder andere der
verschiedenen magistri, die in den Urkunden bei Mittarelli Nr. 161/162 sowie in
der oben erwähnten Vorkommen, über die wir aber sonst gar nichts wissen.
Vgl. über die Lebensdaten und Werke der drei Professoren Schulte, Ge-
schichte der Quellen des kanonischen Rechtes 1, §§ 35, 47, Savigny, Ge-
schichte d. röm. Rechts (1834) 5, 38 §§ 26—27.
19 Bernhard v. Pavia stellte zwischen 1187 und 91 in einer ersten
kirchlich anerkannten Sammlung die nachgratianischen Papstgesetze zusam-
men und hielt selbst darüber in Bologna Vorlesungen, als deren Früchte seine
Glosse und seine maßgebende Summa anzusehen sind; die Vorlesungen fan-
den vor 1191 statt, so daß Thomas sie sicherlich nicht selbst gehört hat. Aber
unter den weiteren bis 1210 tätigen Glossatoren wird auch Lanfrancus genannt,
s. vor. Anm., der sie wohl in seinem Schülerkreise in Vicenza erläutert haben
wird. Vgl. Schulte, a. a. 0. §§ 17 und 40., Laspeyres, Bernhard. Papiens.
Summa decretalium (1860) S. LXIf., Schulte, „Literaturgeschichte d.
Compilationes antique“, Wiener Sitzber. 1870, S. 110ff.
4:
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Kollegheft eintrug, sei es daß er uns seine eigenen Schülerübungen
pietätvoll aufbewahrte.
Die Unterweisung in der ars dictandi war, soweit sie für
Thomas in Frage kam, Sache seiner juristischen Lehrmeister, der
Legisten wie der Kanonisten18, und es wäre daher des weiteren zu
prüfen, ob die ars sonst noch Spuren einer Herkunft aus diesem
Kreise an sich trägt. Gleich der Anfang des ersten Proemiums
bietet einen bedeutsamen Anhalt, denn das eindrucksvolle und
pathetisch weit ausholende Zitat aus der Dekretalensammlung des
Bernhard v. Pavia, die gerade während Thomas’ Studienzeit
erstmals kommentiert und glossiert wurde, und über die zweifellos
auch in Vicenza Vorlesungen stattfanden19, darf entweder als
Reminiszenz aus einem solchen Unterricht angesehen werden, oder
es entstammt der stilistischen Unterweisung selbst. Die besonders
hervorgehobene Absicht des zweiten Proemiums, sich an dem vor
allem gepriesenen Stil der römischen Kurie orientieren zu wollen,
könnte an sich sowohl der Einstellung der Legisten wie der Kano-
nisten entsprechen, denn beide waren gleichermaßen konservativ
18 Thomas studierte nach seinen eigenen Angaben (Brief VII, 7 der
Sammlung) die iura generalia, als Sohn der Kirche wohl vor allem die Kano-
nistik. Möglicherweise bestand überhaupt nur eine Fakultät an der Universi-
tät, wenigstens kennen wir nur Vertreter des römischen und kanonischen
Rechts: den Legisten Cacciavillanus, den Kanonisten Melendus und den
doctor utriusque iuris Lanfrancus, alle drei ehemalige bolognesische Lehr-
meister. Vgl. die S. 49 Anm. 12 zitierte Urkunde, sowie Sarti, De claris
archigymnasii Bononiensis professoribus (1769) S. 306, der nur Cacciavillanus
und Melendus erwähnt, und Savioli, Annali Bolognesi (1784), 2, 1 S. 264,
der alle drei zitiert ,,con altri di poco grido“, vielleicht der eine oder andere der
verschiedenen magistri, die in den Urkunden bei Mittarelli Nr. 161/162 sowie in
der oben erwähnten Vorkommen, über die wir aber sonst gar nichts wissen.
Vgl. über die Lebensdaten und Werke der drei Professoren Schulte, Ge-
schichte der Quellen des kanonischen Rechtes 1, §§ 35, 47, Savigny, Ge-
schichte d. röm. Rechts (1834) 5, 38 §§ 26—27.
19 Bernhard v. Pavia stellte zwischen 1187 und 91 in einer ersten
kirchlich anerkannten Sammlung die nachgratianischen Papstgesetze zusam-
men und hielt selbst darüber in Bologna Vorlesungen, als deren Früchte seine
Glosse und seine maßgebende Summa anzusehen sind; die Vorlesungen fan-
den vor 1191 statt, so daß Thomas sie sicherlich nicht selbst gehört hat. Aber
unter den weiteren bis 1210 tätigen Glossatoren wird auch Lanfrancus genannt,
s. vor. Anm., der sie wohl in seinem Schülerkreise in Vicenza erläutert haben
wird. Vgl. Schulte, a. a. 0. §§ 17 und 40., Laspeyres, Bernhard. Papiens.
Summa decretalium (1860) S. LXIf., Schulte, „Literaturgeschichte d.
Compilationes antique“, Wiener Sitzber. 1870, S. 110ff.
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