Ein Proklos-Fund und seine Bedeutung.
17
2. Für den Text des Platonischen Parmenides.
Wenn Burnet in seiner Ausgabe des Parmenides im kritischen
Apparat Proklos anführt, so stützt er sich hierbei auf die Stall-
baumsche Ausgabe, deren PLATON-Text bald mit dem Bodleianus,
bald mit dem Venetus zusammengeht. Es zeigt sich nun, daß in
solchen Fällen, in denen die Platon-Handschriften B und T aus-
einandergehen, das der lateinischen Übersetzung des Proklos-
Kommentars zugrundeliegende Original in der Entscheidung für
eine dieser beiden Handschriften sich zu der bei Stallbaum und
Cousin gebotenen griechischen Überlieferung oft in Gegensatz stellt.
Es erhebt sich von hier aus die Forderung einer kritischen Sichtung
des Verhältnisses der indirekten PLATON-Überlieferung bei Pro-
klos zum PLATON-Text und darüber hinaus der methodischen
Konfrontierung der gesamten antiken Nebenüberlieferung ·—
Damaskios etwa wird von Burnet überhaupt nicht herangezogen,
obwohl er doch in seinem Werk Περί, αρχών wie in seinem Pär-
menides-Kommentar einen Text des VI. Jahrhunderts wiedergibt —
mit den wichtigsten Platon-Handschriften, und vor allem mit dem
für den Parmenides bisher nicht ausgewerteten Cod. Vindob. 54
suppl. philos. graec. 71, um über die Stellung der hier vorliegenden
Sonderüberlieferung in der Geschichte des Platonischen Textes
endgültige Klarheit zu gewinnen2. —- Schon die Art, in der der
griechische PROKLOS-Text von Burnet herangezogen ist, ist nicht
sehr sorgfältig3 und bedarf der Verbesserung; davon abgesehen, wird
1 W bei Burnet.
2 Vorarbeiten bei A. Schaeffer, Quaestiones Platonica'e, Straßburg 1898;
O. Immisch, Philolog. Studien zu Plato II., Leipzig 1903; Ii. Alline, Hist, du
texte de Platon (Bibi, de l’Ecole d. H.-Etudes fase. 218, Paris 1915). — Nach-
dem Diels (Anonym. Kommentar zu Platons Theaetet, Berl. Klassikertexteil.
p. XXII) gezeigt hat, daß die Lesung des Vindobonensis „in ungewöhnlich
zahlreichen und wichtigen Fällen“ durch den Papyrus bestätigt wird und für
den Theaetet als „mindestens gleichwertige dritte Quelle neben B und T
tritt“, ist es unverständlich, daß "kritische’ Ausgaben erscheinen, ohne diese
Hs. gebührend zu berücksichtigen; Burnet zieht sie in der Edition des Par-
menides, Philebos und Politikos überhaupt nicht heran, bei mehreren anderen
Dialogen zu wenig. Bei dem verhältnismäßig guten Stand der Platon-
Überlieferung ist gegenüber dem bisherigen Text eine durchgreifende Änderung
nicht zu erwarten; doch wird sich für nicht wenige inhaltlich wichtige Stellen
eine bestimmtere Entscheidung geben lassen.
3 Er übernimmt offenkundige Fehler der Stallbaumschen Ausg.; so
132 d 2: έν fehlt nicht bei Proklos, sondern (wie schon aus dem ersten Satz
des Komment, hervorgeht) nur bei Stallb.; 133c 1: das von Wilamowitz
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1928/29. 5. Abh,
2
17
2. Für den Text des Platonischen Parmenides.
Wenn Burnet in seiner Ausgabe des Parmenides im kritischen
Apparat Proklos anführt, so stützt er sich hierbei auf die Stall-
baumsche Ausgabe, deren PLATON-Text bald mit dem Bodleianus,
bald mit dem Venetus zusammengeht. Es zeigt sich nun, daß in
solchen Fällen, in denen die Platon-Handschriften B und T aus-
einandergehen, das der lateinischen Übersetzung des Proklos-
Kommentars zugrundeliegende Original in der Entscheidung für
eine dieser beiden Handschriften sich zu der bei Stallbaum und
Cousin gebotenen griechischen Überlieferung oft in Gegensatz stellt.
Es erhebt sich von hier aus die Forderung einer kritischen Sichtung
des Verhältnisses der indirekten PLATON-Überlieferung bei Pro-
klos zum PLATON-Text und darüber hinaus der methodischen
Konfrontierung der gesamten antiken Nebenüberlieferung ·—
Damaskios etwa wird von Burnet überhaupt nicht herangezogen,
obwohl er doch in seinem Werk Περί, αρχών wie in seinem Pär-
menides-Kommentar einen Text des VI. Jahrhunderts wiedergibt —
mit den wichtigsten Platon-Handschriften, und vor allem mit dem
für den Parmenides bisher nicht ausgewerteten Cod. Vindob. 54
suppl. philos. graec. 71, um über die Stellung der hier vorliegenden
Sonderüberlieferung in der Geschichte des Platonischen Textes
endgültige Klarheit zu gewinnen2. —- Schon die Art, in der der
griechische PROKLOS-Text von Burnet herangezogen ist, ist nicht
sehr sorgfältig3 und bedarf der Verbesserung; davon abgesehen, wird
1 W bei Burnet.
2 Vorarbeiten bei A. Schaeffer, Quaestiones Platonica'e, Straßburg 1898;
O. Immisch, Philolog. Studien zu Plato II., Leipzig 1903; Ii. Alline, Hist, du
texte de Platon (Bibi, de l’Ecole d. H.-Etudes fase. 218, Paris 1915). — Nach-
dem Diels (Anonym. Kommentar zu Platons Theaetet, Berl. Klassikertexteil.
p. XXII) gezeigt hat, daß die Lesung des Vindobonensis „in ungewöhnlich
zahlreichen und wichtigen Fällen“ durch den Papyrus bestätigt wird und für
den Theaetet als „mindestens gleichwertige dritte Quelle neben B und T
tritt“, ist es unverständlich, daß "kritische’ Ausgaben erscheinen, ohne diese
Hs. gebührend zu berücksichtigen; Burnet zieht sie in der Edition des Par-
menides, Philebos und Politikos überhaupt nicht heran, bei mehreren anderen
Dialogen zu wenig. Bei dem verhältnismäßig guten Stand der Platon-
Überlieferung ist gegenüber dem bisherigen Text eine durchgreifende Änderung
nicht zu erwarten; doch wird sich für nicht wenige inhaltlich wichtige Stellen
eine bestimmtere Entscheidung geben lassen.
3 Er übernimmt offenkundige Fehler der Stallbaumschen Ausg.; so
132 d 2: έν fehlt nicht bei Proklos, sondern (wie schon aus dem ersten Satz
des Komment, hervorgeht) nur bei Stallb.; 133c 1: das von Wilamowitz
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1928/29. 5. Abh,
2