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Ernst Levy:
an die sicarii und incendiarii denkt der Cicero des Jahres 46 (Para-
dox. 4, 31) bei den scelerati atque inpii, quos leges exsilio adfici
volunt. Man braucht diese Äußerung nur mit der mehrfach berührten
p. Caec. 100 zu vergleichen, um zu erkennen, daß sich in diesen
Jahrzehnten eine Wandlung vollzogen hat. Auch im Bereich der
Leges Corneliae wird das exilium nicht mehr als perfugium portus-
que supplicii, sondern als supplicium selbst betrachtet; es ist wahre
Kriminalstrafe, kein Verwaltungsakt mehr; der magistratischen
Vollstreckungsinstanz unmittelbar eingeordnet und keines Volks-
schlusses mehr bedürftig. Das ist der Schlußpunkt der repu-
blikanischen Entwicklung.
Die Todesstrafe sank demgegenüber im Quiritenrecht zu einer
Art ins nudum herab. Sie wurde nicht etwa als aufgehoben be-
trachtet. Caesars Lex agraria v. J. 59, die, wie sie selbst befahl,
jeder Senator zu beschwören hatte, bedrohte die Nichtleistung des
Eides — offenbar als Majestätsverbrechen1 — noch ganz im alten
Stil mit dem Verfahren de capite} Die erwähnte Lex Clodia,
v. J. 58 wandte sich nicht gegen Hinrichtungen überhaupt, sondern
nur gegen den qui civem JRomanum indemnatum interemisset.
Das Strafensystem, das Cicero i. J. 55 als vorwiegend anerkannt
(fortasse plerique) schildert, enthält die Dreiheit damnationes expul-
siones necis (in Pison. 95), die sich übrigens von der früheren
Dreiheit vincula neces ignominiae (p. Caec. 100; ob. S. 25 f.) durch
ihre Präzision vorteilhaft abhebt.3 In der damnatio steckt die mul-
ta4, die expidsio ist neu in den Kreis getreten, die neces aber sind
geblieben.5 * Sie waren ja in und außerhalb der Urbs gegenüber
1 Vgl. Mommsen 566 f.
2 Appian bell. civ. 2, 12: dopYeixo pev 6 Kcucrap ffotvaxov tu) pp öpöaavxi,
icai ö bf|juoc; ^rreKupou. Dem widerspricht es nicht, wenn Plutarch Cato min.
32, 3 nur pefodux. . . diuxipicc Kocxa tüjv pp öpoaavxuuv erwähnt. Denn es kam
natürlich nicht zur Hinrichtung. Alle leisteten den Eid in der Erinnerung
an das Geschick des Metellus, ov ei<; vöpov öpoiov (= Lex Appuleia agraria
v. J. 100: Liv. ep. 69 [vgl. auch ob. S. 277J) öpöaai pp -OeXpaavra rrepieibev ö
hppoq dKTteaövxa qpuxp xfjc; ’IxoAiac; (Plut.).
8 Keinen präzis juristischen Wert haben die octo 'genera poenarum, die
Augustin (de civit. dei 21, 11) als cieeronisch schildert. Darüber und über
Cie. de orat. 1, 194: Mommsen 905f., Costa, Cic. II 663.
4 S. auch Mommsen 9052.
5 Dagegen spricht nicht etwa Cic. p. Milon. 101: mortem naturae finem esse,
non poenam. Das will der Khetor als die Meinung seines Klienten glauben
machen, für den der Tod weniger Schrecken habe als das exilium, ubi vir-
tuti non sit locus.
Ernst Levy:
an die sicarii und incendiarii denkt der Cicero des Jahres 46 (Para-
dox. 4, 31) bei den scelerati atque inpii, quos leges exsilio adfici
volunt. Man braucht diese Äußerung nur mit der mehrfach berührten
p. Caec. 100 zu vergleichen, um zu erkennen, daß sich in diesen
Jahrzehnten eine Wandlung vollzogen hat. Auch im Bereich der
Leges Corneliae wird das exilium nicht mehr als perfugium portus-
que supplicii, sondern als supplicium selbst betrachtet; es ist wahre
Kriminalstrafe, kein Verwaltungsakt mehr; der magistratischen
Vollstreckungsinstanz unmittelbar eingeordnet und keines Volks-
schlusses mehr bedürftig. Das ist der Schlußpunkt der repu-
blikanischen Entwicklung.
Die Todesstrafe sank demgegenüber im Quiritenrecht zu einer
Art ins nudum herab. Sie wurde nicht etwa als aufgehoben be-
trachtet. Caesars Lex agraria v. J. 59, die, wie sie selbst befahl,
jeder Senator zu beschwören hatte, bedrohte die Nichtleistung des
Eides — offenbar als Majestätsverbrechen1 — noch ganz im alten
Stil mit dem Verfahren de capite} Die erwähnte Lex Clodia,
v. J. 58 wandte sich nicht gegen Hinrichtungen überhaupt, sondern
nur gegen den qui civem JRomanum indemnatum interemisset.
Das Strafensystem, das Cicero i. J. 55 als vorwiegend anerkannt
(fortasse plerique) schildert, enthält die Dreiheit damnationes expul-
siones necis (in Pison. 95), die sich übrigens von der früheren
Dreiheit vincula neces ignominiae (p. Caec. 100; ob. S. 25 f.) durch
ihre Präzision vorteilhaft abhebt.3 In der damnatio steckt die mul-
ta4, die expidsio ist neu in den Kreis getreten, die neces aber sind
geblieben.5 * Sie waren ja in und außerhalb der Urbs gegenüber
1 Vgl. Mommsen 566 f.
2 Appian bell. civ. 2, 12: dopYeixo pev 6 Kcucrap ffotvaxov tu) pp öpöaavxi,
icai ö bf|juoc; ^rreKupou. Dem widerspricht es nicht, wenn Plutarch Cato min.
32, 3 nur pefodux. . . diuxipicc Kocxa tüjv pp öpoaavxuuv erwähnt. Denn es kam
natürlich nicht zur Hinrichtung. Alle leisteten den Eid in der Erinnerung
an das Geschick des Metellus, ov ei<; vöpov öpoiov (= Lex Appuleia agraria
v. J. 100: Liv. ep. 69 [vgl. auch ob. S. 277J) öpöaai pp -OeXpaavra rrepieibev ö
hppoq dKTteaövxa qpuxp xfjc; ’IxoAiac; (Plut.).
8 Keinen präzis juristischen Wert haben die octo 'genera poenarum, die
Augustin (de civit. dei 21, 11) als cieeronisch schildert. Darüber und über
Cie. de orat. 1, 194: Mommsen 905f., Costa, Cic. II 663.
4 S. auch Mommsen 9052.
5 Dagegen spricht nicht etwa Cic. p. Milon. 101: mortem naturae finem esse,
non poenam. Das will der Khetor als die Meinung seines Klienten glauben
machen, für den der Tod weniger Schrecken habe als das exilium, ubi vir-
tuti non sit locus.