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Täubler, Eugen; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 2. Abhandlung): Terremare und Rom — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40160#0014
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14

Bugen Taübler:

hof, dessen Richtung von der Zugangsbrücke bestimmt wird,
mit demselben Neigungswinkel wie die Stadt nach SO. Beide
Richtungen beziehen sich auf die Sonne: folgt die Stadt mit ihrem
Umriß dem ganzen Sonnenlauf, so ist der Friedhof, zunächst der
Stadtbrücke, der aufgehenden Sonne zugewandt. Die Absicht
ist leicht zu erkennen: im Gegensatz zur griechischen Anschauung
galt in der römischen Augurallehre die östliche Seite als die günstige,
die westliche als die ungünstige1; so daß in dem der aufgehenden
Sonne zugewandten Friedhof zugleich ein Zeugnis animistischen
Glaubens vorliegt, zu dem bald ein zweites Zeugnis hinzutreten
wird.
Danach ist über den Friedhof zu urteilen, der sich im Westen unmittelbar
an den Graben anlehnt. Von dem geschlossenen System, das wir bisher
kennen lernten, weicht er in jeder Richtung ab: langgestreckt, nicht auf
Pfählen, ohne Graben und Brücke, ganz außerhalb des Beziehungssystems
der Linien, v. Duhn2 hat in ihm eine jüngere Anlage sehen wollen, die bereits
auf die altgeheiligten Formen verzichtete. Das kann kaum richtig sein. Das
in der Stadt und dem anderen Friedhof vollendet durchgeführte System und
dieser südwestliche Friedhof stehen sich schroff gegenüber. Nichts weist
auf eine Lockerung hin. Ich möchte darum eher für möglich halten, in diesem
Friedhof die Grabstätte einer den Terremarikolen fremden Bevölkerung'
zu sehen. Daß die Urbewohner inmitten der späteren Siedler fortlebten,
ist besonders durch die Verschiedenheit der Bestattungsart an vielen Stellen
deullich und von v. Duhn oft hervorgehoben worden3. Der nach W7esten
gerichtete und außerhalb des Systems an den Graben angelehnte Friedhof
würde das rechtliche Verhältnis einer unterworfenen Schicht zu den Herren
des Pfahldorfes zum Ausdruck bringen. Als gesichert könnte dies gelten,
wenn die Leichen auf diesem Friedhof unverbrannt bestattet worden wären.
Das ist nicht der Fall. Pigorini hatte die Nekropole unerforscht genannt,
aber hinzugefügt, daß auch sie nur Brandgräber hatte4. Ich verdanke einem
der Führer der Terremareforschung, dem in diesem Aufsatz oft genannten,
jetzt in Fontanellato ansässigen Gran Ufficiale Luigi Scotti die Bestätigung
in der Form, daß Knochen auf diesem Friedhof nicht gefunden wurden. In
welcher Art die Asche beigesetzt wurde, weiß ich nicht. Dieser Friedhof
bedürfte wohl einer neuen Untersuchung. Wenn meiner Annahme die Siche-
rung fehlt, die ihr Leichenbestattung gegeben hätte, so wird sie durch Aschen-
bestattung doch nicht widerlegt; die versklavten oder klientel gewordenen
Urbewohner hätten sich, wie es von v. Duhn oft hervorgehoben worden ist,
dem Brauch des herrschenden Volkes angepaßt.

1 Cicero, de divin. II 82: nobis sinistra videntur, Graiis et barbaris
dextra meliora. Andere Stellen bei Wissowa Relig. S. 525 A. 2.
2 R. L. V. Castellazzo §3. Gräberk. I S. 119.
3 Gräberk. I Sachregister S. 665 Urbevölkerung. Vgl. unten S. 31
m. A. 7.
4 Bull. pal. XXIII 1897 S. 58 m. A. 9.
 
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