Metadaten

Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0010
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10

Carl Brinkmann:

jener Vorzeit verfehlt. Jahns Briefe zeigen uns den Priegnitzer
Pfarrerssohn in starkem Gegensatz zu den bekannten Nachfolgern
der mittelalterlichen „Nationen“ und Vorgängern der neueren Corps,
den Landsmannschaften, die aber hier bezeichnend nicht so, sondern
„Kränzchen“ heißen, ein Wort, in dem wahrscheinlich von alt fr sh er
ein Element oppositioneller Geheimbündelei lag9. Von Halle erzählt
Jahn 1806: „Ich studierte zwei Jahre in Frieden, schlug alle An-
träge des Kranzes ab und erklärte ihnen am 6. März 1798 den Krieg“.
Aus Frankfurt berichtet er am 21. Dezember 1801 „Bruder“
v. Schütz in Wittenberg ausführlich über die dortigen Kränzchen,
das Schlesische, das Märkische, zu dem auch die Pommern, und
das Preußische, zu dem „alle übrigen Deutsche und andere Lands-
leute bis zum Hottentotten und Samojeden“ (wahrscheinlich eine
scherzhafte Anspielung auf die Balten) gehörten: „Der Zweck dieser
3 Verbindungen oder um sie nicht so sehr zu ehren Botten ist die
Aufrechterhaltung des rohen Burschen-Comments. Daher ist ein
großer Teil ihrer Gesetze bloß dazu gegeben, um Duelle anzu-
zetteln . . . Da die Kränzchen blos aus Leuten einer Gegend sich
rekrutieren, so kann ein Hauptzweck des akademischen Lebens, die
Abschleifung durch den Umgang mit Fremden, nicht erreicht
werden. Der Kränzchen-Geist macht ungesellig gegen jeden, der
nicht mit aus einer Gegend ist: weil ihren Gesetzen zufolge ein
Kränzianer mit keinem fremden Landsmann als Stubenpursch zu-
sammenwohnen, viel weniger vertraute Freundschaft mit ihm schlie-
ßen darf. Kein Freundschafts-Band knüpft die Mitglieder anein-
ander, sondern das Schwert. Wer das Kränzchen verlassen will,
muß mit dem Senior und den 4 Conseniores sich duellieren.“ Als
besonders anstößig brandmarkt Jahn, der selber den „Umgang mit
Fremden“ an zehn(!) deutschen Universitäten gesucht hatte, so-
dann die „dumme Verachtung“ der Kränzianer gegen die Studenten
von Universitäten wie Leipzig und Wittenberg, wo „das Kränzchen-
Unwesen nicht herrscht“, und verspottet ihr Renommieren mit den
„Merkzeichen“ ihrer Vereinigungen, den Farben an Kokarden,
Pfeifenpuscheln und „Collets“, und den Stammbüchern, „die sie
bloß aus Renommier-Sucht mit auf Reisen nehmen“.
9 S. bei Diefenbach-Wülcker 715 den vom GRiMMSchen Wörterbuch
(5, 2057f.) anscheinend übersehenen frühesten Beleg aus dem Kölner Stadt-
recht, 15. Jhd.: „dat van nu vortan gheyn heymliche raidt, idt sy in der
schickonge ader in iemantz huyser noch auch gheyne vergaderonge noch
krentzgen machen . . . soll.“
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften