Der Nationalismus und die deutschen Universitäten.
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des Vorschlagsrechts bei Berufungen76 sollen und können mit neuem
Leben und Sinn erfüllt werden. Die Schrift klingt aus in die
schönste und tiefste aller Rechtfertigungen der akademischen
Studentenfreiheit: „Die auf der Universität sich zur Erkenntnis
bilden, sind zugleich die, welche in Zukunft auch die Sitten bilden
sollen. Können wir nun von diesen verlangen, daß sie immer nur
aus Gehorsam in Gehorsam gehen sollen, aus dem des väterlichen
Hauses in den der Konvenienz ihrer künftigen Verhältnisse ? Sollen
sie von Anfang an und immer dem unterworfen sein, was sie bilden
sollen ?“ Sogar die Mensurfrage wird undogmatisch und frei von
der unter den „bürgerlichen Ständen“ herrschenden „panischen
Furcht vor dem Gedanken an das Klirren der Degen“ erörtert :
Grober Mißbrauch sei nicht zu leugnen, „aber eben gegen diese
Mißbräuche ließe sich viel tun, wenn man nicht so hartnäckig
darauf bestände, alle Mittel, die man in Händen hat, nur an der
vor der Hand unmöglichen Abstellung zu verschwenden. Vorzüg-
lich müßten alle gymnastischen Übungen und namentlich das
Fechten unter öffentlicher Autorität kunstmäßig bis zur höchsten
Vollkommenheit getrieben werden . . . Denn auch hier zeigt sich,
welch eine gefährliche Sache es ist, wie ein alter Weiser sagt, die
Seele zu üben ohne den Leib.“
Auf der andern Seite nahm Fichtes „Deduzierter Plan einer
zu Berlin zu errichtenden hohem Lehranstalt“ (1807), auch er
schon äußerlich charakterisiert sowohl durch die Vermeidung des
Universitätsnamens im Titel wie durch die Tatsache seiner aus-
schließlich amtlichen Wirkung (er wurde erst 1817 nach Fichtes
Tode veröffentlicht), mit noch größerem und pathetischerem Nach-
druck die Zeitlage, das Heraustreten des „bösen Prinzips“ aus der
bisherigen Unentschiedenheit vom guten zum Anlaß, um an Stelle
des „Alten und Hergebrachten“, das immer zugleich das „Dunkle“
sei, „die Menschenbildung im Großen und Ganzen aus dem blinden
Ohngefähr unter das leuchtende Auge einer besonnenen Kunst“ zu
bringen77. Man kann wiederum mit Max Lenz von einem Schleier-
76 Ich kann nicht unterlassen, das hervorzuheben, weil heutige Partei-
politik (z. B. Voss. Ztg. 27. Sept. 1931) aus losgerissenen Äul3erungen Schleier-
macher für das Gegenteil in Anspruch nimmt. Die .,Gelegentlichen Gedanken“
sagen (Spraager 159): „Spricht nicht die Natur der Sache dafür, daß, wenn
die Wissenschaft nicht untergehen soll, an der Wahl ihrer eigentlichsten Er-
halter und Fortpllanzer auch der wissenschaftliche Verein einen bedeutenden
Anteil nehmen müsse?“
77 Neudruck bei Spraager a. a. O. 22f.
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des Vorschlagsrechts bei Berufungen76 sollen und können mit neuem
Leben und Sinn erfüllt werden. Die Schrift klingt aus in die
schönste und tiefste aller Rechtfertigungen der akademischen
Studentenfreiheit: „Die auf der Universität sich zur Erkenntnis
bilden, sind zugleich die, welche in Zukunft auch die Sitten bilden
sollen. Können wir nun von diesen verlangen, daß sie immer nur
aus Gehorsam in Gehorsam gehen sollen, aus dem des väterlichen
Hauses in den der Konvenienz ihrer künftigen Verhältnisse ? Sollen
sie von Anfang an und immer dem unterworfen sein, was sie bilden
sollen ?“ Sogar die Mensurfrage wird undogmatisch und frei von
der unter den „bürgerlichen Ständen“ herrschenden „panischen
Furcht vor dem Gedanken an das Klirren der Degen“ erörtert :
Grober Mißbrauch sei nicht zu leugnen, „aber eben gegen diese
Mißbräuche ließe sich viel tun, wenn man nicht so hartnäckig
darauf bestände, alle Mittel, die man in Händen hat, nur an der
vor der Hand unmöglichen Abstellung zu verschwenden. Vorzüg-
lich müßten alle gymnastischen Übungen und namentlich das
Fechten unter öffentlicher Autorität kunstmäßig bis zur höchsten
Vollkommenheit getrieben werden . . . Denn auch hier zeigt sich,
welch eine gefährliche Sache es ist, wie ein alter Weiser sagt, die
Seele zu üben ohne den Leib.“
Auf der andern Seite nahm Fichtes „Deduzierter Plan einer
zu Berlin zu errichtenden hohem Lehranstalt“ (1807), auch er
schon äußerlich charakterisiert sowohl durch die Vermeidung des
Universitätsnamens im Titel wie durch die Tatsache seiner aus-
schließlich amtlichen Wirkung (er wurde erst 1817 nach Fichtes
Tode veröffentlicht), mit noch größerem und pathetischerem Nach-
druck die Zeitlage, das Heraustreten des „bösen Prinzips“ aus der
bisherigen Unentschiedenheit vom guten zum Anlaß, um an Stelle
des „Alten und Hergebrachten“, das immer zugleich das „Dunkle“
sei, „die Menschenbildung im Großen und Ganzen aus dem blinden
Ohngefähr unter das leuchtende Auge einer besonnenen Kunst“ zu
bringen77. Man kann wiederum mit Max Lenz von einem Schleier-
76 Ich kann nicht unterlassen, das hervorzuheben, weil heutige Partei-
politik (z. B. Voss. Ztg. 27. Sept. 1931) aus losgerissenen Äul3erungen Schleier-
macher für das Gegenteil in Anspruch nimmt. Die .,Gelegentlichen Gedanken“
sagen (Spraager 159): „Spricht nicht die Natur der Sache dafür, daß, wenn
die Wissenschaft nicht untergehen soll, an der Wahl ihrer eigentlichsten Er-
halter und Fortpllanzer auch der wissenschaftliche Verein einen bedeutenden
Anteil nehmen müsse?“
77 Neudruck bei Spraager a. a. O. 22f.