Der Nationalismus und die deutschen Universitäten.
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Archivverwaltung auch ich nichts weiter als clas bereits Bekannte
feststellen können, daß sie auf einem beleidigenden Zusammen-
stoß mit preußischen Offizieren beruhte. Ich kann höchstens eine
Vermutung wagen. Wie jene ersten Jenaer „Wehrschaften“
(ob. Anm. 102), scheinen auch Jahns Turnerstudenten eine sehr
enge Fühlung mit dem damals ja im ersten Aufbau stehenden
preußischen Heer der allgemeinen (nur für Studenten besonderen
„einjährigen“) Wehrpflicht gehabt zu haben. Wenigstens schließe
ich das aus einer wenig bekannten Stimme des preußenfeindlichen
Königreichs Sachsen zur Burschenschaftsfrage, den „Aphoristischen
Winken zur richtigen Beurteilung teutscher Universitäten und zur
Beherzigung bei jetzigen zeitgemäßen Verbesserungen derselben“,,
die der gleichfalls als Philantrop bekannte Leipziger Gynäkologe
J. C. G. Jörg 1819 veröffentlichte. Dort heißt es (S. 24f.), „daß der
politisch-militärische Geist der jetzigen Studierenden keineswegs auf
den Universitäten selbst erzeugt, sondern daß er von der Außen-
welt und von dem Kriegsschauplätze mit dorthin gebracht worden
sei und daß er heute noch mit dem politischen Geiste des Publikums
und mit dem militärischen einer großen teutschen Armee in dem
genauesten Zusammenhänge stehe. So lange die Studenten aus der
großen politischen Welt auf die Universitäten übergehn und so lange
selbige in einem großen Staate Deutschlands ein Jahr lang die mili-
tärischen Übungen mit zu machen gezwungen sind, werden sie aus
jener den politischen und vom Militär den militärischen Geist mit
auf die Akademien überpflanzen“. Es ergibt sich mithin die weitere
überraschende Tatsache, daß schon die erste „freiheitliche“ Bur-
schenschaft mit dem später die Welt beherrschenden Schlagwort
des „Militarismus“ bekämpft worden sein muß130.
Eine zweite, allgemeinere Überraschung empfindet man bei
näherem Zusehen über die auf den ersten Blick widerspruchsvolle
Feststellung, daß nicht nur aus den später bekannt gewordenen
internen Äußerungen der Burschenschaft ein Grundzug aller-
unbedenklichster Gewalt („direct action“ würde es die heutige
130 Die Behauptung von Treitsciike D. G. 2, 511, Sand sei nach dem
Feldzug 1815 „voll Verachtung gegen die Soldaterei“ heimgekehrt, muß ein
Mißverständnis sein; vgl. das Gegenteil im Tagebuch von Neujahr 1816, Carl
Ludwig Sand (Altenburg 1821) 347. Auch Steffens (a. a. O. 307) gab als
„entschiedenes Verdienst“ Jahns zu, „den einengenden Formalismus der
Schule, des Heeres, der Regierungsmaschine in den innersten Tiefen zu er-
schüttern“. Erst beim Wartburgfest verteilte Sand eine Schrift gegen „Mön-
cherei und Soldaterei“.
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Archivverwaltung auch ich nichts weiter als clas bereits Bekannte
feststellen können, daß sie auf einem beleidigenden Zusammen-
stoß mit preußischen Offizieren beruhte. Ich kann höchstens eine
Vermutung wagen. Wie jene ersten Jenaer „Wehrschaften“
(ob. Anm. 102), scheinen auch Jahns Turnerstudenten eine sehr
enge Fühlung mit dem damals ja im ersten Aufbau stehenden
preußischen Heer der allgemeinen (nur für Studenten besonderen
„einjährigen“) Wehrpflicht gehabt zu haben. Wenigstens schließe
ich das aus einer wenig bekannten Stimme des preußenfeindlichen
Königreichs Sachsen zur Burschenschaftsfrage, den „Aphoristischen
Winken zur richtigen Beurteilung teutscher Universitäten und zur
Beherzigung bei jetzigen zeitgemäßen Verbesserungen derselben“,,
die der gleichfalls als Philantrop bekannte Leipziger Gynäkologe
J. C. G. Jörg 1819 veröffentlichte. Dort heißt es (S. 24f.), „daß der
politisch-militärische Geist der jetzigen Studierenden keineswegs auf
den Universitäten selbst erzeugt, sondern daß er von der Außen-
welt und von dem Kriegsschauplätze mit dorthin gebracht worden
sei und daß er heute noch mit dem politischen Geiste des Publikums
und mit dem militärischen einer großen teutschen Armee in dem
genauesten Zusammenhänge stehe. So lange die Studenten aus der
großen politischen Welt auf die Universitäten übergehn und so lange
selbige in einem großen Staate Deutschlands ein Jahr lang die mili-
tärischen Übungen mit zu machen gezwungen sind, werden sie aus
jener den politischen und vom Militär den militärischen Geist mit
auf die Akademien überpflanzen“. Es ergibt sich mithin die weitere
überraschende Tatsache, daß schon die erste „freiheitliche“ Bur-
schenschaft mit dem später die Welt beherrschenden Schlagwort
des „Militarismus“ bekämpft worden sein muß130.
Eine zweite, allgemeinere Überraschung empfindet man bei
näherem Zusehen über die auf den ersten Blick widerspruchsvolle
Feststellung, daß nicht nur aus den später bekannt gewordenen
internen Äußerungen der Burschenschaft ein Grundzug aller-
unbedenklichster Gewalt („direct action“ würde es die heutige
130 Die Behauptung von Treitsciike D. G. 2, 511, Sand sei nach dem
Feldzug 1815 „voll Verachtung gegen die Soldaterei“ heimgekehrt, muß ein
Mißverständnis sein; vgl. das Gegenteil im Tagebuch von Neujahr 1816, Carl
Ludwig Sand (Altenburg 1821) 347. Auch Steffens (a. a. O. 307) gab als
„entschiedenes Verdienst“ Jahns zu, „den einengenden Formalismus der
Schule, des Heeres, der Regierungsmaschine in den innersten Tiefen zu er-
schüttern“. Erst beim Wartburgfest verteilte Sand eine Schrift gegen „Mön-
cherei und Soldaterei“.