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Schadewaldt, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 3. Abhandlung): Die Niobe des Aischylos — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40168#0009
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Die Niobe des Aischylos

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δέ θνητόν ον τα κάλλεσιν βαίνειν έμοί μέν ούδαμώς άνευ φόβου
sieht man, daß zur Bezeichnung des Gegensatzes'Götter —Mensch’
ein einfaches δέ ausreicht und daß am Anfang des δέ-Gliedes
hervorgehoben am besten ein gewichtiger Ausdruck steht. Die
Richtung des Gedankens weist Hom. Od. 18, 139 (aus einem Zu-
sammenhänge, der als ganzer, 130ff., für unsere Stelle wichtig
ist1): καί γάρ εγώ ποτ’ έ'μελλον έν άνδράσιν όλβιός είναι, πολλά δ’
άτάσθαλ’ έρεξα βίη καί κάρτεϊ είκων . . . τώ μή τις ποτέ πάμπαν άνήρ
άθεμίστιος εΐη, άλλ’ 6 γε σιγή δώρα θεών εχοι, όττι διδοίεν.
Abgesehen davon, daß in der vortragischen Sphäre Homers
der Gedanke der eigenen Verantwortung unbetont bleibt, geht
es auch hier um den όλβος, den Gott gibt, und den Frevel, zu
dem der Mensch sich daraufhin versteigt. Daraus erwächst
die Warnung vor dem άθεμίστιον είναι (im Pap. spezieller θρα-
συστομεΐν) und der Rat, Gottes Gaben 'in Stille’ zu genießen.
Dem entspricht im Pap. das περιστέλλειν, dem von seiner
Grundbedeutung 'bekleiden her auch in der Bedeutung des
'Pflegens’, 'Hütens’ (Wilamowitz Herakl. zu 1129) noch ein
'Verhüllen, 'Verbergen anhaftet. Da 17 für den verfügbaren
Raum σιγή ohnehin zu kurz ist, schlage ich also κρυφή vor. Daß
Vitellis έκ θεών am Ende von 17 und Lattes όλβον Anfang 18,
beides von Körte angenommen, mindestens den Sinn treffen, geht
ebenfalls aus der Homerstelle hervor. Zu έκ θεών im ähnlichen Zu-
sammenhänge vgl. noch Eur. Phoin. 1763 τάς έκ θεών άνάγκας
θνητόν οντα δει φέρειν, zum gewichtigen Adverbium am Anfang
solchen Gedankens Med. 1018 κούφως φέρειν χρή θνητόν οντα
συμφοράς. Zu der echt aischyleischen Bildung θρασυστομεΐν vgl.
außer Hik. 203. Sieben 612. Ag. 1399 bes. Prom. 180 έλευθερο-
στομείν, 327 σύ δ’ ησύχαζε μηδ’ άγαν λαβροστόμει, Sieben 258 παλιν-
στομεΐν.
Der ganze Gedanke erfordert ein Wort der Erklärung. 'Gott
läßt dem Menschen, den er vernichten will, eine αιτία wachsen, der
Mensch seinerseits soll den gottgesandten Segen ohne davon Auf-
hebens zu machen hüten und sich nicht zu überheblicher Rede ver-
steigern Wer im Glück ist, rechnet nicht mit Sturz und Verlust
seines Glückes.’ Hier zielt θρασυστομεΐν für den besonderen Fall der
Niobe auf das gleiche, was allgemeiner Pers. 820 lautet: ώς ούχ
ύπέρφευ θνητόν οντα χρή φρονεΐν, d.h.es geht um die υβρις, die die
Frucht der Ate treibt, worauf eine Ernte voll Jammers folgt (Pers.
821). Dieser letzte Teil des Gedankens ist die gemein-aischyleische
Auffassung von υβρις und άτη. Der erste Teil wurzelt in dem volks-
tümlichen Glauben, daß Gott willkürlich Unheil senden kann und
daß gerade großes Glück gefährlich ist. Wir haben die ersten An-
sätze dazu bei Homer in der Geschichte von den beiden Fässern
(24, 527 ff.) und in der schon berührten Odysseusrede (Od. 18,130ff.).
Die ausgeprägteste Form dieses Glaubens zeigt Herodot. Eine beson-

1 Vgl. besonders Hom. Od. 18, 132 f. mit Pap. 17 f.
 
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