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Schadewaldt, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 3. Abhandlung): Die Niobe des Aischylos — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40168#0021
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Die Niobe des Aischylos

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Rekonstruktionen der aischyleischen Niobe sind im Lauf des
letzten Jahrhunderts mehrfach versucht worden, nachdem G. Her-
mann 1823 in seinem Programm 'De Aeschyli Niobe1’ den Grund
gelegt hatte. Welcker trat ihm entgegen2, und die Späteren haben
im einzelnen — oft in fruchtlosem Spiel — manches hin- und her-
geschoben; im ganzen hat sich das von Hermann skizzierte Bild
der Tragödie bewährt3. Es bewährt sich auch heute angesichts des
Neuen, was der Papyrus über die Anlage des Stückes und die Ab-
sicht des Dichters lehrt.
Gegeben waren bisher nur zwei Tatsachen:
1. Tantalos trat in dem Stücke auf (von Strabon und Plutarch
überliefert, Fr. 158, 159).
2. Niobe saß von Beginn des Stückes an verhüllt auf dem
Grabe der Kinder und verharrte bis tief in das Drama hinein in
Schweigen (Aristophanes Frö. 909ff. Vita 6).
Das Auftreten des Tantalos wird durch den Papyrus neu be-
stätigt (10f.). Die Frage, ob Hermann recht tat, an der Vulgat-
Lesart έως τρίτης ήμέρας Vita 6 festzuhalten, mag auch heute noch
dahingestellt bleiben, trotzdem der Papyrus hei 6 auf die völlig
sichere Ergänzung τριταφν führt4. Jedenfalls hat Hermann diese
'drei Tage’ zutreffend so gedeutet, daß das Drama mit dem dritten
Tage dieser Trauer der Niobe einsetzte (Hermann 43)5.
Frühklassiker Aischylos die neue σαφήνεια eben im Begriff ist, die archaische
Gebundenheit zu überwinden. Mit dem "Noch nicht’ seines Chors besinnt sich
der Dichter, als er gerade dabei ist, das nächstliegende vorwegzunehmen,
darauf, daß das Vergangene nach der Ordnung doch passender zuerst kommt.
Die Aufgabe, das ganze Schicksal der Io zu einem Zeitpunkt berichten zu
lassen, wo dieses Schicksal sich in Zukunft und Vergangenheit, nicht bloß
nähere und entferntere Vergangenheit zerlegt, gab zu solcher kompositorischen
Besinnung besonders Anlaß. 1 Opuscula III 1828, 37ff.
2 Die Aeschyleische Trilogie Prometheus 1824, 341 bes. 348ff.
3 Die wichtigsten Arbeiten sind: Stark, Niobe 1863, 35ff. Heydemann,
Niobe und Xiobiden auf griechischen Vasenbildern SBLeipz. 27, 1875, 205fΓ
Haupt, Diss. Phil. Ilal. 13, 1897, 128ff. Ernst Maass, ÖJh. 11, 1908, 29
Anm. 78. Wilamowitz, Aisch. Interpr. 57 Anm. 1. Robert, Heldensage I 123.
Sechan, Etudes sur la Tragödie Grecque dans ses rapports avec la ceramique,
Paris 1926, 80ff.
* Wir wissen heute, daß έως τρίτου μέρους nicht Konjektur des Victo-
rius, sondern Lesart des Mediceus ist. Andererseits stellt sich zu dem τριταΐ]ον
ήμαρ des Pap. das versprengte Schob Aristoph. Frö. 911 έως τριών ήμερων.
5 Wenn Welcker 342 und 352 die so einfache Erklärung der 'drei Tage’
zuerst nicht sah, dann nicht sehen wollte, so beruht das darauf, daß er an seiner
 
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