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Schadewaldt, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 3. Abhandlung): Die Niobe des Aischylos — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40168#0015
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Die Niobe des Aischvlos

15

den Antiope in der aischyleischen Niobehandlung mitwirken lassen1.
Voraussetzung wäre freilich, daß das Drama in Theben spielte; wir
kommen darauf zurück.

2
Die zweite Frage lautet: Stellt das Fragment eine zusammen-
hängende Rede dar ? Die bisherigen Erklärer haben sie bejaht. Doch
haben Körte und Latte nicht übersehen, daß an zwei Stellen das
Gefüge des Zusammenhanges leicht klafft. Latte (S. 24) findet,
daß die gnomische Partie bei 15 „scheinbar sprunghaft“ einsetzt.
Körte (S. 256) nennt die Übergänge besonders bei 9 „etwas hart“.
Beide Erklärer führen dies auf die Art und Weise archaischen Dich-
tens zurück, freilich ohne positiv zu zeigen, wieso diese Sprünge und
Härten den Gesetzen archaischen Denkens entsprechen. Ich stelle
hier eine weit gröbere Erklärung zur Debatte, die sich mir immer wie-
der aufgedrängt hat und wenigstens einmal mit allen Folgerungen
durchdacht werden soll: es könnte ja sein, die Kontaktstörungen
bei 9/10 und 13/14 seien die Spuren eines ursprünglichen Personen-
wechsels an diesen Stellen und die Verse 10—13 bildeten eine
Zwischenrede des Chors.
Von 1—9 schreitet der Gedanke in zwei Abschnitten, 'Niobes
Klage um den Vater’ (1—4) und das 'Bild ihres Grams’ (5—9), klar
und faßlich fort; den zweiten Abschnitt beschließt die Gnome 9:
βροτό]ς κακω-8-είς δ ούδέν άλλ’ εί μή σκιά. Das nächste setzt 10 mit
harter Wendung ein: 'irgendwie wird Tantalos kommen, um die
Tochter zu holen; (Phoibos) aber hat in irgendeinem Groll gegen
Amphion das Geschlecht grausam vernichtet’. Es sind zweimal
zwei Verse, mit μέν und δέ verbunden, ohne daß klar würde, was
das künftige Kommen des Tantalos und die geschehene Vertilgung
der Niobiden unmittelbar miteinander zu tun haben. Dann folgt
mit plötzlicher Wendung an den Chor ein neuer Teil, der bis zum
Schluß wie aus einem Guß und trotz der Lücken wieder glatt ver-
ständlich ist: 'Ich will es euch sagen — ihr seid ja wohlgesonnen.
Gott läßt dem Menschen eine Schuld erwachsen, wenn er ein Haus
verderben will. Der Mensch darf sich im Glück nicht ndt Worten
überheben. Aber im Wohlstand vergißt er, daß ihm sein Glück zer-
rinnen könnte. So hat denn auch Niobe, übermütig wegen der
1 G. Haupt, Commentationes Archaeologicae in Aeschylum, Diss. Phil.
Hai. 13, 1897, 133, will Antiope in der zur Linken sitzenden Alten auf der
Neapler Niobe-Amphora ca. der Alexanderzeit (Heydemann, Taf. 4) erkennen.
 
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