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•Josef Koch Cusanus-Texte: I. Predigten 2/5.

Jahr, die jene Hss. so interessant und lebendig machen, beiseite
ließ, ging viel von der Eigenart der Cusanischen Predigtsammlung
verloren. Immerhin ist es doch sehr bemerkenswert, daß die Magde-
burger Dominikaner ein so großes Interesse für diese nur zu kleinem
Teil volkstümlichen Predigten hatten, daß sie eine Hs. kauften oder
herstellen ließen.
Bei den übrigen Hss. könnten wir nun so Vorgehen, daß wir
sie der Reihe nach beschreiben und ihren Inhalt angeben. Die Eigen-
art der Überlieferung kommt aber besser zum Vorschein, wenn wir
einen andern Weg einschJagen. Wir haben es nämlich bei den Pre-
digten des Cusanus nicht mit Nachschriften, sondern mit mehr oder
weniger ausgeführten Entwürfen zu tun, und alle Hss. gehen
auf diese Entwürfe zurück. Nicolaus hat sie nicht auf lose
Blätter geschrieben, die nachher zusammengebunden wurden, son-
dern in Entwurfbücher eingetragen — ein Verfahren, dem wir
ja besonders im 15. Jahrhundert sehr häufig begegnen. Von diesen
Entwurfbüchern ist uns nur eins erhalten geblieben, die Hs. G; ein
zweites kann man aber mit Sicherheit rekonstruieren und ein drittes
und viertes mit einiger Wahrscheinlichkeit erschließen, ln dieser
Reihenfolge wollen wir die Überlieferung der Predigten behandeln.

Das erste Entwurfbuch und seine Kopie.
Die Hs. Cues 220 (C) enthält in ihrem ersten Teil eine große
Anzahl von Predigten aus der Zeit von 1431 bis 1446; dazu
kommen noch einige Skizzen aus der Zeit der Legationsreise 1451/52.
Die meisten dürften von Nicolaus selbst, die übrigen von einem
Gehilfen nach seinem Diktat geschrieben sein1. Dieser erste
1 Die Forscher, die sich bisher mit Cues 220 beschäftigt haben, sind über-
einstimmend der Meinung, daß alle Stücke des ersten Teiles von Nicolaus
selbst geschrieben sind. Als ich die Hs. im Oktober 1936 zum zweitenmal stu-
dierte, sind mir erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Opinio communis
aufgestiegen. Ich will sie kurz darlegen, um auf das hier vorliegende Problem
hinzuweisen. Auf f. 91 r steht das Bruchstück der Kopie eines philosophischen
Lexikons: nach der Ordnung des Alphabets werden metaphysische Prinzipien
der Scholastik angeführt und ihr Geltungsbereich umgrenzt. Die meisten Sätze
gehören zum Buchstaben a (Sätze über agere, actio usw.); b liefert nichts, von c
stehen noch einige Sätze zum Stichwort causa da, dann bricht die Kopie mit
Item am Fuß der Seite ab. Da die Kopie sinnstörende Fehler enthält, die zeigen,
daß der Kopist seine Vorlage nicht verstanden hat, so spreche ich sie Cusanus
rundweg ab. Nun hat dieselbe Hand auch einige Predigtentwürfe geschrieben,
z. B. „Verbum caro factum est“ (55r—58v). Die Randbemerkungen zu dieser
 
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