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-Josef Koch Cusanus-Texte: I. Predigten 2/5.
Das ganze Heft (1—16) ist, wie wir sahen, zunächst Ende 1439
und Anfang 1440 benutzt worden, es enthält aber auch Eintragun-
gen von 1444. Nun zeigen die Schriftzüge und die Tinte obiger
Notiz Ähnlichkeit mit den Randbemerkungen zu der Predigt „Do-
mine, in lumine vultus tui“ (lOr — 14v). Diese Randbemerkungen
sind sicher später als 1440; sie sind Ergänzungen zu der genannten
Predigt und zu einer Zeit eingetragen worden, als Nicolaus sie
wieder verwerten wollte. Das setzt immerhin einen Zwischenraum
von einigen Jahren voraus.
Einen sichern Ausgangspunkt zur Reantwortung unserer Frage
gibt wohl nur die große aus dem Besitz des Cu sanus stammende
Eckharthandschrift, die sich noch heute als God. 21 in der
Bibliothek des von ihm gestifteten Hospitals befindet. Sie ist 1444
geschrieben worden, und zwar von einer Hand. Es spricht alles
dafür, daß Nicolaus die Hs. nicht aus fremdem Besitz käuflich
erworben hat, sondern selbst hat anfertigen lassen, um eine mög-
lichst vollständige Sammlung der lateinischen Schriften Meister
Eckharts zu besitzen. Nun ist diese Hs. bekanntlich mit zahl-
reichen Randbemerkungen des Cu sanus versehen, die ein deut-
liches Zeugnis von seinem eifrigen Studium ablegen; sie verteilen
sich allerdings sehr ungleich auf die einzelnen Stücke. Die meisten
Notae finden sich am Rande der echten Predigten* 1, dann folgt wohl
die Auslegung des Johannesevangeliums und die Sermones und Lec-
tiones über Eccli. 24, 23—31, während die Prologe nur wenige, und
die zweifache Genesis- und die Exodus-Auslegung fast gar keine
Noten aufweisen.
Das starke Interesse für die Eckhartschen Predigten veran-
ähnlichen Vergleich zwischen Gnade und Liebe: „Gratia longe super carita-
tem, primo sicut anima super potentiam, secundo sicut esse super opus.“ Am
Rande von 149ra liest man die Notiz des Cusanus: „gratia super caritatem
et intellectum.“ Vgl. auch Sermo XVII, 4 n. 179 (145va). „Gratia esse
respicit“ notiert Cusanus hier an den Rand.
1 Zum Teil sind bemerkenswerte Gedanken Eckharts durch „Nota“,
zum Teil durch kurze Stichworte kenntlich gemacht. Hier und da stehen auch
Werturteile am Rande; z. B. 137va: Varietur etc. Nota ingenium scriptoris;
146va: alternacio diccionum multa obscura declarat, et in hoc iste magister
est in omnibus scriptis suis singularis. Auffällig ist der häufige Hinweis auf
die von Eckhart gebrauchten Beispiele; vgl. exemplum: 137va, 140ra, 141ra
und rb, 145vb usw.; exemplum bonum: 151rb, 151 va (zweimal); exem-
plum optimum: 152rb. Dieses besondere Interesse für die Beispiele läßt sich
am leichtesten erklären, wenn man annimmt, Nicolaus wollte sie für die
eigenen Predigten verwerten.
-Josef Koch Cusanus-Texte: I. Predigten 2/5.
Das ganze Heft (1—16) ist, wie wir sahen, zunächst Ende 1439
und Anfang 1440 benutzt worden, es enthält aber auch Eintragun-
gen von 1444. Nun zeigen die Schriftzüge und die Tinte obiger
Notiz Ähnlichkeit mit den Randbemerkungen zu der Predigt „Do-
mine, in lumine vultus tui“ (lOr — 14v). Diese Randbemerkungen
sind sicher später als 1440; sie sind Ergänzungen zu der genannten
Predigt und zu einer Zeit eingetragen worden, als Nicolaus sie
wieder verwerten wollte. Das setzt immerhin einen Zwischenraum
von einigen Jahren voraus.
Einen sichern Ausgangspunkt zur Reantwortung unserer Frage
gibt wohl nur die große aus dem Besitz des Cu sanus stammende
Eckharthandschrift, die sich noch heute als God. 21 in der
Bibliothek des von ihm gestifteten Hospitals befindet. Sie ist 1444
geschrieben worden, und zwar von einer Hand. Es spricht alles
dafür, daß Nicolaus die Hs. nicht aus fremdem Besitz käuflich
erworben hat, sondern selbst hat anfertigen lassen, um eine mög-
lichst vollständige Sammlung der lateinischen Schriften Meister
Eckharts zu besitzen. Nun ist diese Hs. bekanntlich mit zahl-
reichen Randbemerkungen des Cu sanus versehen, die ein deut-
liches Zeugnis von seinem eifrigen Studium ablegen; sie verteilen
sich allerdings sehr ungleich auf die einzelnen Stücke. Die meisten
Notae finden sich am Rande der echten Predigten* 1, dann folgt wohl
die Auslegung des Johannesevangeliums und die Sermones und Lec-
tiones über Eccli. 24, 23—31, während die Prologe nur wenige, und
die zweifache Genesis- und die Exodus-Auslegung fast gar keine
Noten aufweisen.
Das starke Interesse für die Eckhartschen Predigten veran-
ähnlichen Vergleich zwischen Gnade und Liebe: „Gratia longe super carita-
tem, primo sicut anima super potentiam, secundo sicut esse super opus.“ Am
Rande von 149ra liest man die Notiz des Cusanus: „gratia super caritatem
et intellectum.“ Vgl. auch Sermo XVII, 4 n. 179 (145va). „Gratia esse
respicit“ notiert Cusanus hier an den Rand.
1 Zum Teil sind bemerkenswerte Gedanken Eckharts durch „Nota“,
zum Teil durch kurze Stichworte kenntlich gemacht. Hier und da stehen auch
Werturteile am Rande; z. B. 137va: Varietur etc. Nota ingenium scriptoris;
146va: alternacio diccionum multa obscura declarat, et in hoc iste magister
est in omnibus scriptis suis singularis. Auffällig ist der häufige Hinweis auf
die von Eckhart gebrauchten Beispiele; vgl. exemplum: 137va, 140ra, 141ra
und rb, 145vb usw.; exemplum bonum: 151rb, 151 va (zweimal); exem-
plum optimum: 152rb. Dieses besondere Interesse für die Beispiele läßt sich
am leichtesten erklären, wenn man annimmt, Nicolaus wollte sie für die
eigenen Predigten verwerten.