Am Feste des hl. Johannes des Evangelisten.
Brixen, am 27. Dezember 1453.
„Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns
gewohnt“ (Joh. 1, 14).
1. Bei der Auslegung des Evangeliums „Im Anfang war das
Wort“ müssen wir auf das Wort des Paulus achten (Röm. 1,20):
„Was an Gott unsichtbar ist, wird durch das, was geschaffen ist,
erschaut“ — dabei beachte, daß er sagt, das Unsichtbare werde
erschaut, und zwar mittels dessen, was geschaffen und erkannt
ist -—, „auch seine ewige Kraft und Gottheit“ usw. Daß das
Unsichtbare erschaut wird, ist belehrte Unwissenheit. Da-
durch nämlich, daß ich einsehe, etwas Sichtbares sei geschaffen
worden von dem unsichtbaren Gott, auf daß er sich zeige: auf
diesem Wege wende ich mich zu ihm selbst als der Ursache. So
müssen wir uns auch (mit dieser Überlegung) bei unserm Evan-
gelium helfen.
2. Betrachte zuerst, „daß das Hervorgehende in dem Hervor-
bringenden ist, und daß es in ihm ist wie der Same in seinem Ur-
sprung oder wie das Wort im Sprechenden. Ebenfalls: es ist in
ihm wie die Idee, in der und durch die hervorgeht, was von dem
Hervorbringenden hervorgebracht wird“. Ebenfalls: das Hervor-
gebrachte unterscheidet sich von dem Hervorbringenden, und
daher heißt es: „Und das Wort war bei Gott“; 'bei’ deutet die
Gleichheit an. Das nach dem Maß einer gewissen Ähnlichkeit Her-
vorgehende „ist niedriger als das Hervorbringende und ihm un-
8 —10. cf. De Docta Ignorantia I c. 11, p. 22, Iseq.j infra Sermo 3 n. 6.
13—16. ECHARDUS In loh. n. 4, p. 6, 12 — 14.
16—17. cf. I. c. n. 5, p. 7, 1—4. ECH ARDUS dicit: ,, Li enim 'apud
deum’ sonat in quandam aequalitatem“.
18 — 74.1. cf. I. c.7, 4—7: ,,Ubi notandum quod in analogicissemper productum
est inferius, minus, imperfectius et inaequale producenti; in univocis autem
semper est aequale, eandem naturam non participans, sed totam simpliciter,
integraliter et ex aequo a suo principio accipiens.“ In cod. Cus. 21 verba minus,
imperfectius et producenti usque aequale desunt; cf. infra p. 168 seq.
Brixen, am 27. Dezember 1453.
„Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns
gewohnt“ (Joh. 1, 14).
1. Bei der Auslegung des Evangeliums „Im Anfang war das
Wort“ müssen wir auf das Wort des Paulus achten (Röm. 1,20):
„Was an Gott unsichtbar ist, wird durch das, was geschaffen ist,
erschaut“ — dabei beachte, daß er sagt, das Unsichtbare werde
erschaut, und zwar mittels dessen, was geschaffen und erkannt
ist -—, „auch seine ewige Kraft und Gottheit“ usw. Daß das
Unsichtbare erschaut wird, ist belehrte Unwissenheit. Da-
durch nämlich, daß ich einsehe, etwas Sichtbares sei geschaffen
worden von dem unsichtbaren Gott, auf daß er sich zeige: auf
diesem Wege wende ich mich zu ihm selbst als der Ursache. So
müssen wir uns auch (mit dieser Überlegung) bei unserm Evan-
gelium helfen.
2. Betrachte zuerst, „daß das Hervorgehende in dem Hervor-
bringenden ist, und daß es in ihm ist wie der Same in seinem Ur-
sprung oder wie das Wort im Sprechenden. Ebenfalls: es ist in
ihm wie die Idee, in der und durch die hervorgeht, was von dem
Hervorbringenden hervorgebracht wird“. Ebenfalls: das Hervor-
gebrachte unterscheidet sich von dem Hervorbringenden, und
daher heißt es: „Und das Wort war bei Gott“; 'bei’ deutet die
Gleichheit an. Das nach dem Maß einer gewissen Ähnlichkeit Her-
vorgehende „ist niedriger als das Hervorbringende und ihm un-
8 —10. cf. De Docta Ignorantia I c. 11, p. 22, Iseq.j infra Sermo 3 n. 6.
13—16. ECHARDUS In loh. n. 4, p. 6, 12 — 14.
16—17. cf. I. c. n. 5, p. 7, 1—4. ECH ARDUS dicit: ,, Li enim 'apud
deum’ sonat in quandam aequalitatem“.
18 — 74.1. cf. I. c.7, 4—7: ,,Ubi notandum quod in analogicissemper productum
est inferius, minus, imperfectius et inaequale producenti; in univocis autem
semper est aequale, eandem naturam non participans, sed totam simpliciter,
integraliter et ex aequo a suo principio accipiens.“ In cod. Cus. 21 verba minus,
imperfectius et producenti usque aequale desunt; cf. infra p. 168 seq.