4. Ubi est qui natus est rex ludaeorum (n. 22—24).
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die Frage: warum hat Gott die Zeit nicht eher erschaffen? einen
wirklichen Widerspruch voraus, daß nämlich die Zeit war und
nicht war. So setzt auch die Frage: wo war Gott vor der Welt?
dieses Falsche voraus, als gebe es Sein außerhalb des Seins, als
gebe es einen unerschaffenen Ort außerhalb Gottes.
23. Und wenn man sagte: war also die Welt von Ewig-
keit ? so kann man auf eine Weise antworten, daß in demselben
Jetzt der Ewigkeit Gott und die Welt war. Denn die Welt fing
nicht in einem anderen Jetzt der Ewigkeit an, sondern in dem-
selben, in dem Gott ist. Denn dieses Jetzt ist ohne Anfang und
ohne Ende und ist Gott. Find man kann sagen: weil Gott die
Ewigkeit selbst ist, insofern von ihm die Zeit ist, so ist und war auch
die zeitliche Welt immer, und (zwar) von Ewigkeit, nämlich von
Gott; sie war auch immer, das heißt zu aller Zeit; ja, es war
niemals wahr, wenn man sagte, daß sie nicht war. Denn zu aller Zeit,
als man dies sagen konnte, daß die Welt nicht war, da war sie. Und
das 'war5 ist selbst von der Ewigkeit, es ist aber nicht ewig, weil
Zeit. Und es ist eine falsche Vorstellung, daß zwischen dem Jetzt
der Ewigkeit, aus dem die Zeit fließt, und der Zeit selbst irgend-
eine Weile vermittle; denn es schließt einen Widerspruch ein, daß
es eine Weile geben soll ohne Zeit. Zwischen das ewige Sein und
das zeitliche Sein fällt keine Weile als Mittleres. Dies ist dasselbe,
wie wenn wir sagten: zwischen dem Sein Gottes und dem Sein der
Welt vermittelt nichts. Und wenn du es wohl überlegst, schließt
die Frage, ob die Welt von Ewigkeit war, einen Widerspruch
ein, weil sie voraussetzt, das Zeitliche und Abgeleitete sei unzeit-
lich und ursprunglos.
24. Man könnte sagen: wenn die zeitliche Welt nicht
ewig ist, obgleich sie aus dem Ewigen fließt, wie kann
da von den Weisen gesagt werden, sie sei immer gewe-
sen? Die Antwort lautet: 'immer’ wird hier im Sinne von 'alle
15—17. cf. ECHARDUS l. c. n. 216; In Gen. I n. 7; Sermo XLV n. 458.
17— 18. cf. ECH ARDUS l. c. n. 217: ,,. . . nec tempus nec mora intercidit
inter aeternitatem et tempus.“
18— 19. cf. ECH ARDUS Prol. op. prop. n. 13 [ed. H. Rascour p. 25, lOseq.):
„omne ens et singulum non solum habet, sed et immediate, absque omni
prorsus medio habet a Deo totum esse, totam suam unitatem, veritatem, boni-
tatem.“
25. cf. ECH ARDI defensio articuli secundi a theologis Avenionensibus
haeretici iudicati (vid. supra p. 51): „Predictum articulum verifficat magister
Eccardus, quia, ut dicit, pro tanto mundus luit ab aeterno, quia omni tem-
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die Frage: warum hat Gott die Zeit nicht eher erschaffen? einen
wirklichen Widerspruch voraus, daß nämlich die Zeit war und
nicht war. So setzt auch die Frage: wo war Gott vor der Welt?
dieses Falsche voraus, als gebe es Sein außerhalb des Seins, als
gebe es einen unerschaffenen Ort außerhalb Gottes.
23. Und wenn man sagte: war also die Welt von Ewig-
keit ? so kann man auf eine Weise antworten, daß in demselben
Jetzt der Ewigkeit Gott und die Welt war. Denn die Welt fing
nicht in einem anderen Jetzt der Ewigkeit an, sondern in dem-
selben, in dem Gott ist. Denn dieses Jetzt ist ohne Anfang und
ohne Ende und ist Gott. Find man kann sagen: weil Gott die
Ewigkeit selbst ist, insofern von ihm die Zeit ist, so ist und war auch
die zeitliche Welt immer, und (zwar) von Ewigkeit, nämlich von
Gott; sie war auch immer, das heißt zu aller Zeit; ja, es war
niemals wahr, wenn man sagte, daß sie nicht war. Denn zu aller Zeit,
als man dies sagen konnte, daß die Welt nicht war, da war sie. Und
das 'war5 ist selbst von der Ewigkeit, es ist aber nicht ewig, weil
Zeit. Und es ist eine falsche Vorstellung, daß zwischen dem Jetzt
der Ewigkeit, aus dem die Zeit fließt, und der Zeit selbst irgend-
eine Weile vermittle; denn es schließt einen Widerspruch ein, daß
es eine Weile geben soll ohne Zeit. Zwischen das ewige Sein und
das zeitliche Sein fällt keine Weile als Mittleres. Dies ist dasselbe,
wie wenn wir sagten: zwischen dem Sein Gottes und dem Sein der
Welt vermittelt nichts. Und wenn du es wohl überlegst, schließt
die Frage, ob die Welt von Ewigkeit war, einen Widerspruch
ein, weil sie voraussetzt, das Zeitliche und Abgeleitete sei unzeit-
lich und ursprunglos.
24. Man könnte sagen: wenn die zeitliche Welt nicht
ewig ist, obgleich sie aus dem Ewigen fließt, wie kann
da von den Weisen gesagt werden, sie sei immer gewe-
sen? Die Antwort lautet: 'immer’ wird hier im Sinne von 'alle
15—17. cf. ECHARDUS l. c. n. 216; In Gen. I n. 7; Sermo XLV n. 458.
17— 18. cf. ECH ARDUS l. c. n. 217: ,,. . . nec tempus nec mora intercidit
inter aeternitatem et tempus.“
18— 19. cf. ECH ARDUS Prol. op. prop. n. 13 [ed. H. Rascour p. 25, lOseq.):
„omne ens et singulum non solum habet, sed et immediate, absque omni
prorsus medio habet a Deo totum esse, totam suam unitatem, veritatem, boni-
tatem.“
25. cf. ECH ARDI defensio articuli secundi a theologis Avenionensibus
haeretici iudicati (vid. supra p. 51): „Predictum articulum verifficat magister
Eccardus, quia, ut dicit, pro tanto mundus luit ab aeterno, quia omni tem-