Der Johannesprolog in den Predigten des Cusanus. 163
scher Weise von ihren Vorgängerinnen: sie ist eine ausgesprochene
Gelehrtenarbeit. Cusanus trug seine Gedanken nicht nur in latei-
nischer Sprache vor, wie das hei Predigten vor dem Klerus üblich
war, sondern zitierte auch griechische und hebräische Texte, berief
sich auf Moses Maimonides und den Sepher Raziel, auf die Sibyl-
linischen Bücher und Hermes Trismegistos, ,,qui veritatem paene
universam, nescio quo modo, investigavit“ (n. 10), auf die Weis-
heit der antiken Philosophen ebenso wie auf die der christlichen
Theologen; er erwähnte die Gottesnamen der Juden und Tartaren,
der Inder und Araber neben denen der Deutschen und Slaven,
Lateiner und Griechen: kurz, er prunkte mit der ganzen ihm zur
Verfügung stehenden Gelehrsamkeit. Trotzdem haben wir keine
inhaltlose Prunkrede vor uns, sondern eine sehr eindrucksvolle
Predigt über Gott, Schöpfung und Erlösung im Anschluß an Joh.
1, 1—3.
Gleich der erste Satz nach der Einleitung zeigt, daß der Diony-
sische Gottesbegriff den Vorrang hat: ,,Da Gott der Ursprung alles
Guten und aller Vollkommenheit, aller Kraft und Wahrheit ist,
der Ursprung, der von keinem abhängt, von dem aber alles andere
abhängt, so muß er das höchste Gut sein* 1.“ Aus diesem Begriff
werden alle übrigen Eigenschaften Gottes abgeleitet (n. 2).
Nachdem er dann über die Gottesnamen gesprochen, wendet
er sich zur Darlegung der Dreifaltigkeit. Hier zeigt sich nun, daß
die Abwendung von dem Aristotelischen Begriff des in glückseliger
Ruhe sich selbst betrachtenden Gottesgeistes noch schärfer gewor-
den ist. In Gott kann es keine Untätigkeit geben; denn sonst
wäre er — als höchstes Wesen — auch im höchsten Grade untätig,
und so bestände die höchste Seligkeit in Untätigkeit. Das ist aber
finden sich skizzenhafte Ausführungen über die Namen Gottes. Durch zwei-
maliges „De quo (bzw. hoc) alibi“ verweist er auf eine ältere Predigt, in der
er ausführlich von diesem Thema handelt. Dafür kommt aber allein unsere
Predigt in Betracht. Damit hätten wir den Terminus ante quem; Vansteen-
berghes Datierung (20. März 1445) kann also nicht richtig sein. — Nun
kommt m. E. das Jahr 1444 nicht in Betracht. Denn in diesem Jahre predigte
N;colaus am 25. März in Koblenz (C 129r) und an den Weihnachtstagen
in Mainz (vgl. oben S. 158 Anm. 1). Anderseits hat er sicher am 19. April
und 8. Sept. 1443 in Trier gepredigt (C 87r und 92r). Darum bin ich geneigt,
auch unsere Predigt in dieses Jahr zu verlegen.
1 „Deus quia omnis boni et perfectionis, virtutis et veritatis origo a
nullo dependens et a quo omnia, ipsum summum bonum esse necesse est.“
ln p ist das erste Wort irrigerweise in „Deum“ geändert; „Deus“ steht nicht
nur in V1; sondern auch in C.
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scher Weise von ihren Vorgängerinnen: sie ist eine ausgesprochene
Gelehrtenarbeit. Cusanus trug seine Gedanken nicht nur in latei-
nischer Sprache vor, wie das hei Predigten vor dem Klerus üblich
war, sondern zitierte auch griechische und hebräische Texte, berief
sich auf Moses Maimonides und den Sepher Raziel, auf die Sibyl-
linischen Bücher und Hermes Trismegistos, ,,qui veritatem paene
universam, nescio quo modo, investigavit“ (n. 10), auf die Weis-
heit der antiken Philosophen ebenso wie auf die der christlichen
Theologen; er erwähnte die Gottesnamen der Juden und Tartaren,
der Inder und Araber neben denen der Deutschen und Slaven,
Lateiner und Griechen: kurz, er prunkte mit der ganzen ihm zur
Verfügung stehenden Gelehrsamkeit. Trotzdem haben wir keine
inhaltlose Prunkrede vor uns, sondern eine sehr eindrucksvolle
Predigt über Gott, Schöpfung und Erlösung im Anschluß an Joh.
1, 1—3.
Gleich der erste Satz nach der Einleitung zeigt, daß der Diony-
sische Gottesbegriff den Vorrang hat: ,,Da Gott der Ursprung alles
Guten und aller Vollkommenheit, aller Kraft und Wahrheit ist,
der Ursprung, der von keinem abhängt, von dem aber alles andere
abhängt, so muß er das höchste Gut sein* 1.“ Aus diesem Begriff
werden alle übrigen Eigenschaften Gottes abgeleitet (n. 2).
Nachdem er dann über die Gottesnamen gesprochen, wendet
er sich zur Darlegung der Dreifaltigkeit. Hier zeigt sich nun, daß
die Abwendung von dem Aristotelischen Begriff des in glückseliger
Ruhe sich selbst betrachtenden Gottesgeistes noch schärfer gewor-
den ist. In Gott kann es keine Untätigkeit geben; denn sonst
wäre er — als höchstes Wesen — auch im höchsten Grade untätig,
und so bestände die höchste Seligkeit in Untätigkeit. Das ist aber
finden sich skizzenhafte Ausführungen über die Namen Gottes. Durch zwei-
maliges „De quo (bzw. hoc) alibi“ verweist er auf eine ältere Predigt, in der
er ausführlich von diesem Thema handelt. Dafür kommt aber allein unsere
Predigt in Betracht. Damit hätten wir den Terminus ante quem; Vansteen-
berghes Datierung (20. März 1445) kann also nicht richtig sein. — Nun
kommt m. E. das Jahr 1444 nicht in Betracht. Denn in diesem Jahre predigte
N;colaus am 25. März in Koblenz (C 129r) und an den Weihnachtstagen
in Mainz (vgl. oben S. 158 Anm. 1). Anderseits hat er sicher am 19. April
und 8. Sept. 1443 in Trier gepredigt (C 87r und 92r). Darum bin ich geneigt,
auch unsere Predigt in dieses Jahr zu verlegen.
1 „Deus quia omnis boni et perfectionis, virtutis et veritatis origo a
nullo dependens et a quo omnia, ipsum summum bonum esse necesse est.“
ln p ist das erste Wort irrigerweise in „Deum“ geändert; „Deus“ steht nicht
nur in V1; sondern auch in C.
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