Gott als der Ort der Geschöpfe.
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quod est, incontracte1 ad hoc vel illud, ut omnia, quae sunt
per ipsum sint id quod sunt“ (n. 19). Im Sinne des Pantheismus
müßte die Formel lauten: Esse est in quolibet contracte ad hoc!
Cusanus sagt — und damit bleibt er seiner schon in De Docta
Ignorantia ausgesprochenen Meinung treu: Gott, das absolute Sein,
gibt zwar jedem Seienden dessen ganzes Sein (,,id quod est“), er
selbst aber bleibt davon ganz unberührt2. Er ist ganz in den von
ihm geschaffenen Wesen, er geht aber nicht in sie ein. Und darum
kann Nicolaus auch mit Augustinus sagen: Gott ist überall und
nirgends, allem innerlichst als die virtus essendi gegenwärtig, aber
keinem Orte irgendwie verhaftet, weil er im Sein des Ortes, und
das Sein des Ortes in ihm ist (n. 19).
Von diesen Grundgedanken aus läßt sich nun der übrige Inhalt
der an tiefen Gedanken so reichen Predigt verstehen. Freilich macht
uns Cusanus das Verständnis nicht immer leicht. Was er z. B.
über die Ewigkeit als den Ort der Zeit sagt (n. 5), ist zunächst
nicht recht durchsichtig. Der Reihe nach stellt er folgende Sätze
zur Erläuterung des ersten auf: 1. An Sein finden wir in der Zeit
nur das Jetzt. 2. Die Zeit ist ein Fluß vom Sein zum Sein, d. h.
vom Jetzt zum Jetzt,. 3. Nun gibt es aber nur ein Jetzt; denn
das Zukünftige ist noch nicht, und das Vergangene nicht mehr.
4. Also ist das Jetzt das Wesen oder das Sein der Zeit, und das
nennen wir die Ewigkeit oder das unveränderliche Jetzt. 5. Dieses
unveränderliche Jetzt ist aber identisch mit dem Sein selbst, d. h.
mit Gott. In diesem Sein aber ist das Sein der Zeit.
Der zweite und dritte Satz scheinen zunächst nicht mitein-
ander vereinbar zu sein; denn im zweiten wird die Zeit als Fluß
vom Jetzt zum Jetzt bezeichnet, der dritte besagt, daß es nur
einJetzt gibt. Wie reimt sich das zusammen? Ebenso stimmen
der vierte und fünfte Satz nicht recht zusammen. Denn jener be-
zeichnet das Jetzt der Ewigkeit als das Sein der Zeit, dieser sagt,
das Sein der Zeit sei im Jetzt der Ewigkeit. Wie läßt sich das
vereinbaren ?
Man muß sich auch hier hüten, mitVorstellungen zu arbeiten.
Cusanus denkt nicht daran, das erfaßbare Jetzt des Augenblicks
mit dem Jetzt der Ewigkeit zu identifizieren. Denn das Jetzt der
Ewigkeit ist ja identisch mit dem ewigen Gott selbst. Aber das
1 Zum Begriff der Contractio vgl. Hoffmann a. a. 0. S. 21 ff.
2 Vgl. Predigt 3 n. 7: ,,Non tamen est Sapientia forma Libri, sed in se
manet absoluta“ (S. 80, 13).
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quod est, incontracte1 ad hoc vel illud, ut omnia, quae sunt
per ipsum sint id quod sunt“ (n. 19). Im Sinne des Pantheismus
müßte die Formel lauten: Esse est in quolibet contracte ad hoc!
Cusanus sagt — und damit bleibt er seiner schon in De Docta
Ignorantia ausgesprochenen Meinung treu: Gott, das absolute Sein,
gibt zwar jedem Seienden dessen ganzes Sein (,,id quod est“), er
selbst aber bleibt davon ganz unberührt2. Er ist ganz in den von
ihm geschaffenen Wesen, er geht aber nicht in sie ein. Und darum
kann Nicolaus auch mit Augustinus sagen: Gott ist überall und
nirgends, allem innerlichst als die virtus essendi gegenwärtig, aber
keinem Orte irgendwie verhaftet, weil er im Sein des Ortes, und
das Sein des Ortes in ihm ist (n. 19).
Von diesen Grundgedanken aus läßt sich nun der übrige Inhalt
der an tiefen Gedanken so reichen Predigt verstehen. Freilich macht
uns Cusanus das Verständnis nicht immer leicht. Was er z. B.
über die Ewigkeit als den Ort der Zeit sagt (n. 5), ist zunächst
nicht recht durchsichtig. Der Reihe nach stellt er folgende Sätze
zur Erläuterung des ersten auf: 1. An Sein finden wir in der Zeit
nur das Jetzt. 2. Die Zeit ist ein Fluß vom Sein zum Sein, d. h.
vom Jetzt zum Jetzt,. 3. Nun gibt es aber nur ein Jetzt; denn
das Zukünftige ist noch nicht, und das Vergangene nicht mehr.
4. Also ist das Jetzt das Wesen oder das Sein der Zeit, und das
nennen wir die Ewigkeit oder das unveränderliche Jetzt. 5. Dieses
unveränderliche Jetzt ist aber identisch mit dem Sein selbst, d. h.
mit Gott. In diesem Sein aber ist das Sein der Zeit.
Der zweite und dritte Satz scheinen zunächst nicht mitein-
ander vereinbar zu sein; denn im zweiten wird die Zeit als Fluß
vom Jetzt zum Jetzt bezeichnet, der dritte besagt, daß es nur
einJetzt gibt. Wie reimt sich das zusammen? Ebenso stimmen
der vierte und fünfte Satz nicht recht zusammen. Denn jener be-
zeichnet das Jetzt der Ewigkeit als das Sein der Zeit, dieser sagt,
das Sein der Zeit sei im Jetzt der Ewigkeit. Wie läßt sich das
vereinbaren ?
Man muß sich auch hier hüten, mitVorstellungen zu arbeiten.
Cusanus denkt nicht daran, das erfaßbare Jetzt des Augenblicks
mit dem Jetzt der Ewigkeit zu identifizieren. Denn das Jetzt der
Ewigkeit ist ja identisch mit dem ewigen Gott selbst. Aber das
1 Zum Begriff der Contractio vgl. Hoffmann a. a. 0. S. 21 ff.
2 Vgl. Predigt 3 n. 7: ,,Non tamen est Sapientia forma Libri, sed in se
manet absoluta“ (S. 80, 13).