Metadaten

Honecker, Martin; Johannes; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 2. Abhandlung): Nikolaus von Cues und die griechische Sprache — Heidelberg, 1938

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41994#0050
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
42

Martin Honecker:

reichlich unbestimmt. Allerdings ist die Etymologie sine conver-
sione schon vor Nicolaus Cusanus anzutreffen122.
Ganz ohne sprachlichen Zusammenhang und völlig verfehlt ist
aber die Deutung von Κλωθώ mit conversio (Nr. 40). Nicolaus Cusa-
nus kannte wohl das Verbum κλώθω (= ich spinne) nicht. Woran
er bei seiner Übersetzung gedacht hat, ist unerfindlich.
Hingegen spielt bei der Deutung von Λάχεσις (Nr. 41) wieder
eine zutreffende Ableitung mit, nämlich von λαγχάνει.ν = erlösen
(λάχος = Los). Allein die Übertragung mit sors ist dennoch falsch.
Auch diese Deutung wird indes aus der Tradition übernommen
sein123.
Bei der ersten Ableitung von θεός (Nr. 42) ist zu beachten,
daß die Gueser Hs. und die Straßburger Inkunabel nur θεωρέω
(θεωρώ, theoro) als angebliches Stammwort bringen. Die aber dort
schon stehende doppelte Interpretation mit video und curro recht-
fertigt die von den beiden anderen Ausgaben vorgenommene Hinzu-
fügung von θέω (theo). Die beiden folgenden Stellen beziehen sich
nur auf θεωρέω (intueri, videre), während die letzte ausschließlich
θέω als Ursprungswort in Anspruch nimmt. Beide Ableitungen sind
unrichtig; sie sind aber bei Cusanus nicht neu124. Bei der Beru-
fung auf Platons Kratylos125 übersieht Nikolaus von Gues, daß
Platon mit diesem Beispiel die sophistischen Wortableitungen durch
Sokrates an den Pranger stellen läßt, die fragliche Etymologie selbst
also gar nicht ernst nimmt. Allerdings wird der Cusaner den Kra-
tylostext wohl nicht gelesen haben; es ist wenigstens nicht nach-
weisbar, daß ein Exemplar dieses Dialogs in seinem Besitz gewe-
sen sei.
Ganz seltsam mutet schließlich die Ableitung,, unitas von ώντας"1
(Nr. 43) an. Denn wenngleich auch hier wieder eine mittelalterliche
Etymologie übernommen ist126 — daß sie übernommen wird und
daß Nikolaus von Cues somit der Meinung gewesen ist, das Grie-

122 Vgl. h I, Anm. zu 96, 17.
123 Siehe h I, Anm. zu 96, 21.
124 Die doppelte Ableitung’ findet sich bereits bei Joh. Scotus Eriu-
gena, De divisione naturae I 12 (PL. 122, 452 B/D).
125 Platon, Kratylos 15, 397 G/D.
126 Vgl. Wilh. Jansen, Der Kommentar des Clarenbaldus von Arras
zu Boethius De Trinitate (Breslauer Studien zur historischen Theologie, Bd. 8),
1926, S. 11*, Z. 3.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften