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Cusanus-Studien VII: Jos. E. Hofmann
große Rolle gespielt und sich schließlich, von einem Aristoteles-
Kommentar in den andern übernommen, zu einer Art von mathe-
matischem Dogma entwickelt haben. Leider läßt sich dieser Vor-
gang im Augenblick nicht näher verfolgen, da von den zahlreichen
Traktaten der Spätscholastiker über die Kreisquadratur nur der
kleinste Teil im Druck zugänglich und wahrscheinlich vieles Inter-
essante für immer verloren ist. Wie lange der Inkommensurabili-
tätssatz weitergewirkt hat, das zeigt uns eine Bemerkung des Lütti-
cher Kanonikers Rene Francois de Sluse (1622—1685). Dieser
Mann war ein vorzüglicher Kenner der Alten und ein bedeutender
Mathematiker, der mit Recht von seinen Zeitgenossen sehr hoch
geschätzt wurde. Als Sluse durch seinen Freund Christiaan
Huygens, von dessen Parabelausstreckung erfuhr, die durch Hen-
drik van Heuraet 1659 zur ersten allgemeinen Rektifikations-
methode erweitert worden war60, da schrieb er61:
Novum autem illud de parabolicae lineae et hyperboles dimen-
sionis mutuo nexu dici non potest quantum mihi placuerit, praesertim
cum Heuratio occasionem dederit inveniendi rem, quam inter aSuvaxa
hactenus recensueram.
Unzweifelhaft ist die Überzeugung von der Unmöglichkeit einer
(allgemeinen) Rektifikationsmethode das letzte Überbleibsel des
alten Inkommensurabilitätssatzes. Und wenn wir die Sache etwas
anders ansehen, so ist der großartige Versuch des James Gregory
(1638—1675), die Unmöglichkeit der Kreisquadratur (mittels Zirkel
und Lineal) nachzuweisen, aus der gleichen Wurzel entsprungen62.
Als nun um die Mitte des 15. Jahrhunderts die ersten längeren
ARCHiMEDES-Texte im Original wiederauftauchten und zunächst
einmal in lateinischer Übersetzung erschlossen wurden, traten an
bestimmten Stellen erhebliche Schwierigkeiten auf. Vor allem die
Abhandlung De spiralibus, worin der Kreisumfang unbedenklich
60 Hierüber siehe Jos. E. Hofmann, Über die ersten lo gar ithmischen Rekti-
fikationen, Deutsche Mathematik 6, 1941/42, S. 283—304, insbesondere S. 283
bis 290.
61 Christiaan Huygens, (Eueres completes II, La Haye 1889, S. 437
(Brief vom 15. Juli 1659).
62 Das ist abgehandelt in der oft genannten Vera circuli et hyperbolae
quadratura, Padua 1667. Über sie und ihre Entwicklungsgeschichte sehe man
James Gregory, Tercentenary memorial volume ed. Herbert Westrek Turn-
bull, London 1939, wo auch der sich an die Quadratura anschließende Streit
mit Huygens eingehend dargelegt wird.
Cusanus-Studien VII: Jos. E. Hofmann
große Rolle gespielt und sich schließlich, von einem Aristoteles-
Kommentar in den andern übernommen, zu einer Art von mathe-
matischem Dogma entwickelt haben. Leider läßt sich dieser Vor-
gang im Augenblick nicht näher verfolgen, da von den zahlreichen
Traktaten der Spätscholastiker über die Kreisquadratur nur der
kleinste Teil im Druck zugänglich und wahrscheinlich vieles Inter-
essante für immer verloren ist. Wie lange der Inkommensurabili-
tätssatz weitergewirkt hat, das zeigt uns eine Bemerkung des Lütti-
cher Kanonikers Rene Francois de Sluse (1622—1685). Dieser
Mann war ein vorzüglicher Kenner der Alten und ein bedeutender
Mathematiker, der mit Recht von seinen Zeitgenossen sehr hoch
geschätzt wurde. Als Sluse durch seinen Freund Christiaan
Huygens, von dessen Parabelausstreckung erfuhr, die durch Hen-
drik van Heuraet 1659 zur ersten allgemeinen Rektifikations-
methode erweitert worden war60, da schrieb er61:
Novum autem illud de parabolicae lineae et hyperboles dimen-
sionis mutuo nexu dici non potest quantum mihi placuerit, praesertim
cum Heuratio occasionem dederit inveniendi rem, quam inter aSuvaxa
hactenus recensueram.
Unzweifelhaft ist die Überzeugung von der Unmöglichkeit einer
(allgemeinen) Rektifikationsmethode das letzte Überbleibsel des
alten Inkommensurabilitätssatzes. Und wenn wir die Sache etwas
anders ansehen, so ist der großartige Versuch des James Gregory
(1638—1675), die Unmöglichkeit der Kreisquadratur (mittels Zirkel
und Lineal) nachzuweisen, aus der gleichen Wurzel entsprungen62.
Als nun um die Mitte des 15. Jahrhunderts die ersten längeren
ARCHiMEDES-Texte im Original wiederauftauchten und zunächst
einmal in lateinischer Übersetzung erschlossen wurden, traten an
bestimmten Stellen erhebliche Schwierigkeiten auf. Vor allem die
Abhandlung De spiralibus, worin der Kreisumfang unbedenklich
60 Hierüber siehe Jos. E. Hofmann, Über die ersten lo gar ithmischen Rekti-
fikationen, Deutsche Mathematik 6, 1941/42, S. 283—304, insbesondere S. 283
bis 290.
61 Christiaan Huygens, (Eueres completes II, La Haye 1889, S. 437
(Brief vom 15. Juli 1659).
62 Das ist abgehandelt in der oft genannten Vera circuli et hyperbolae
quadratura, Padua 1667. Über sie und ihre Entwicklungsgeschichte sehe man
James Gregory, Tercentenary memorial volume ed. Herbert Westrek Turn-
bull, London 1939, wo auch der sich an die Quadratura anschließende Streit
mit Huygens eingehend dargelegt wird.