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Kolbe, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1942/43, 1. Abhandlung): Die ätolischen Soterien und die attische Archontenforschung — Heidelberg, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.42031#0014
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6

Walther Kolbe:

daß es in der griechischen Welt nicht üblich war, die Bitte um An-
erkennung eines Festes jahrelang unbeantwortet zu lassen. Man
wird sich diese Meinung ohne weiteres zu eigen machen können.
Nur möchte ich glauben, daß mit einer solchen Feststellung nichts
entschieden ist. Denn nicht auf die neunundneunzig Urkunden
kommt es an, die die Anerkennung eines Festes alsbald nach seiner
Stiftung aussprechen, sondern auf die eine, die einen nachträglichen
Beitritt zur Gemeinde der Festteilnehmer erkennen läßt. Daß es an
solchen beim Fest der Leukophryena nicht fehlt, hat Ferguson mit
Recht hervorgehoben, und L. Robert gibt es auch ohne weiteres zu.
Notwendigerweise muß deshalb mit der Möglichkeit gerechnet wer-
den, daß bei dem Dekret aus Smyrna der gleiche Fall vorliegt. Wir
werden daher, wenn wir festen Boden unter den Füßen gewinnen
wollen, von neuem an das Problem herantreten müssen, das Fer-
guson zu lösen suchte. Die Frage, die wir dabei zu stellen haben,
muß lauten: ist das, was er als Möglichkeit annahm, als Wirklich-
keit anzuerkennen? Um es ganz konkret auszudrücken: lassen
sich Beweise dafür beibringen, daß das smyrnäische Dekret einer
späteren Zeit angehört als die Beitrittserklärung von Athen ?
1.
Ehe wir uns an die Behandlung der eben gestellten Aufgabe
machen können, ist es notwendig eine Vorfrage zur Entscheidung
zu bringen. In einem scharfsinnigen und vielbeachteten Aufsatz
hat P. Roussel die Unterlagen für die These von der Umwandlung
der Soterien durch dieÄtoler durch eine Prüfung des Sprachgebrau-
ches der Inschriften über Neugründungen und Umwandlungen von
Festen gewonnen. Obwohl er zugibt (S. 106), daß an sich der Text
des athenischen Beschlusses auf eine Neugründung hinweist, glaubte
er sich auf Grund anderer Urkunden berechtigt, von mangelnder
Schärfe der Ausdrucksweise zu sprechen1. Es liegt zu Tage, daß
wir mit einer Untersuchung des Sprachgebrauchs dieser Inschriften-
gruppe beginnen müssen. Mit dieser Arbeit führe ich die im Hermes
1933 und 1934 begonnenen Studien weiter, und ich stehe nicht an
zu erklären, daß ich mehrfach Veranlassung haben werde, Berich-
tigungen vorzunehmen.

1 Vgl. a. a. O. 1924, 97 ff.: on voit par lä combien il est dangereux d’inter-
preter une formule avec une precision, qu’elle ne comporte pas. Dazu sind
meine Ausführungen im Hermes 1933, 443ff. heranzuziehen.
 
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