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Hans Fuhr. v. Campenhausen
IIL·
Das Matthäusevangelium ist im allgemeinen und besonders auch
in der Lokalisierung der Auferstehungsbegegnungen nach Galiläa
der Markusüberlieferung gefolgt. Trotzdem hängt es der Erzäh-
lung vom leeren Grabe schon eine erste Erscheinung Jesu vor den
Frauen an73. Eine andere, umfangreiche Erweiterung trägt apolo-
getischen Charakter; das ist der Bericht über die Grabeswächter
und den Betrug der jüdischen Hierarchen. Über das Motiv dieser
Erzählungen gibt das Evangelium selbst Auskunft. Nachdem,
heißt es, die Entdeckung des leeren Grabes bekannt geworden war,
hätten die Hohenpriester und Ältesten die Lüge aufgebracht, der
Leichnam sei nachts von den Jüngern selbst gestohlen worden,
,,und diese Erzählung wurde unter den Juden allgemein verbreitet
bis auf den heutigen Tag“74. Diese feindliche Erfindung soll durch die
Geschichte von den Grabeswächtern nunmehr widerlegt werden;
sie soll zeigen, daß ein Leichenrauh in Wirklichkeit unmöglich pas-
sieren konnte und daß die entgegengesetzte Behauptung nur auf
bewußter, böswilliger Verleumdung beruht.
Wie meist, wenn eine solche tendenziöse Absicht leitend wird,
hat der Erzähler sein bestimmtes, apologetisches Ziel vor allem im
Auge und achtet darum nicht auf die Ungereimtheiten, die seine
Erzählung rechts und links davon nach sich zieht. Unsere Geschichte
strotzt infolgedessen von Widersprüchen und Unmöglichkeiten.
Die Auferstehungsankündigung Jesu muß als allgemein bekannt
vorausgesetzt werden, damit die „Hohenpriester und Pharisäer“
sich danach auch richten können, und sie tun dies mit Genauigkeit:
nur bis zum vorgesehenen Zeitpunkt des dritten Tages ist die Wache
notwendig und wird mit dieser Begrenzung vom Landpfieger er-
beten75. Die Sitzung, bei der dies beschlossen wird, muß an einem
Sahbath stattfinden — eine Schwierigkeit, die Matthäus selbst emp-
funden zu haben scheint, wenn er einer direkten Bezeichnung dieses
73 Sie ist hier besonders verständlich; denn die späteren galiläisclien Erschei-
nungen Jesu werden bei Matthäus nur in einer einzigen, großen Szene zusammen-
gefaßt, die ganz im Zeichen der himmlischen Inthronisation und Jüngersendung
steht; vgl. E. Lohmeyer, „Mir ist gegeben alle Gewalt“, In memoriam Ernst Loh-
meyer (1951) 9 fl'. So kommt das Moment des Wiedersehens und freudigen Wieder-
erkennens nur in der lyrisch gehaltenen Begegnung gegenüber den Frauen zur Wir-
kung. Als ein Ersatz für die Petrusbegegnung, wie Brun S. 34 will, läßt sie sich
nicht verstehen.
74 Mt. 28, 15.
75 Mt. 27, 63 f.
Hans Fuhr. v. Campenhausen
IIL·
Das Matthäusevangelium ist im allgemeinen und besonders auch
in der Lokalisierung der Auferstehungsbegegnungen nach Galiläa
der Markusüberlieferung gefolgt. Trotzdem hängt es der Erzäh-
lung vom leeren Grabe schon eine erste Erscheinung Jesu vor den
Frauen an73. Eine andere, umfangreiche Erweiterung trägt apolo-
getischen Charakter; das ist der Bericht über die Grabeswächter
und den Betrug der jüdischen Hierarchen. Über das Motiv dieser
Erzählungen gibt das Evangelium selbst Auskunft. Nachdem,
heißt es, die Entdeckung des leeren Grabes bekannt geworden war,
hätten die Hohenpriester und Ältesten die Lüge aufgebracht, der
Leichnam sei nachts von den Jüngern selbst gestohlen worden,
,,und diese Erzählung wurde unter den Juden allgemein verbreitet
bis auf den heutigen Tag“74. Diese feindliche Erfindung soll durch die
Geschichte von den Grabeswächtern nunmehr widerlegt werden;
sie soll zeigen, daß ein Leichenrauh in Wirklichkeit unmöglich pas-
sieren konnte und daß die entgegengesetzte Behauptung nur auf
bewußter, böswilliger Verleumdung beruht.
Wie meist, wenn eine solche tendenziöse Absicht leitend wird,
hat der Erzähler sein bestimmtes, apologetisches Ziel vor allem im
Auge und achtet darum nicht auf die Ungereimtheiten, die seine
Erzählung rechts und links davon nach sich zieht. Unsere Geschichte
strotzt infolgedessen von Widersprüchen und Unmöglichkeiten.
Die Auferstehungsankündigung Jesu muß als allgemein bekannt
vorausgesetzt werden, damit die „Hohenpriester und Pharisäer“
sich danach auch richten können, und sie tun dies mit Genauigkeit:
nur bis zum vorgesehenen Zeitpunkt des dritten Tages ist die Wache
notwendig und wird mit dieser Begrenzung vom Landpfieger er-
beten75. Die Sitzung, bei der dies beschlossen wird, muß an einem
Sahbath stattfinden — eine Schwierigkeit, die Matthäus selbst emp-
funden zu haben scheint, wenn er einer direkten Bezeichnung dieses
73 Sie ist hier besonders verständlich; denn die späteren galiläisclien Erschei-
nungen Jesu werden bei Matthäus nur in einer einzigen, großen Szene zusammen-
gefaßt, die ganz im Zeichen der himmlischen Inthronisation und Jüngersendung
steht; vgl. E. Lohmeyer, „Mir ist gegeben alle Gewalt“, In memoriam Ernst Loh-
meyer (1951) 9 fl'. So kommt das Moment des Wiedersehens und freudigen Wieder-
erkennens nur in der lyrisch gehaltenen Begegnung gegenüber den Frauen zur Wir-
kung. Als ein Ersatz für die Petrusbegegnung, wie Brun S. 34 will, läßt sie sich
nicht verstehen.
74 Mt. 28, 15.
75 Mt. 27, 63 f.