Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab
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lieh begründete Kunde, so müssen die Nachforschungen nach dem
Grabe zum mindesten sehr bald begonnen haben. Man fand und
zeigte aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich ein leeres Grab135,
und wenn wir nicht alles im Sinne der Juden für Schwindel und
nachträgliche Mache erklären wollen, so ist es nicht einzusehen,
warum dessen Entdeckung nicht so, nicht durch die Personen und
zu dem Zeitpunkt erfolgt sein sollte, wie es uns die älteste Überlie-
ferung an die Hand gibt. Alles andere ist unkontrollierbar136. Wer
mit einer Umbettung, Verwechslung oder sonstigen Unglücksfäl-
len rechnen möchte, kann seine Phantasie natürlich beliebig spie-
len lassen — hier ist alles möglich und nichts beweisbar. Aber das
hat mit kritischer Forschung dann nichts mehr zu tun. Prüft man
das, was sich prüfen läßt, so kommt man m. E. nicht darum herum,
die Nachricht vom leeren Grab selbst und von seiner frühen Ent-
deckung stehen zu lassen. Es spricht vieles für und nichts Durch-
schlagendes und Bestimmtes gegen sie; sie ist also aller Wahrschein-
lichkeit nach historisch.
III
Zwei Daten heben sich also aus der wirren Fülle des überliefer-
ten Stoffes als wesentlich und zuverlässig heraus: eine Reihe von
unbezweifelbaren Christuserscheinungen, die nach Galiläa zu set-
zen sind, und die Entdeckung des leeren Grabes zu Jerusalem.
Schon früh beginnen die Bestrebungen, beide Nachrichten so nah
wie möglich zusammenzuziehen, d. h. die ersten Erscheinungen
schon am offenen Grabe selbst auftreten zu lassen und sie schließ-
lich ganz nach Jerusalem zu verlegen. Aber so oft auch diese Über-
135 Ob die Tradition darüber erhalten blieb und ob die Grabeskirche sich heute
noch an der „richtigen“ Stelle befindet, ist eine andere Frage, die ich nicht so ent-
schieden bejahen möchte, wie J. Jebemias, Golgotha (1926) es tut. Über das Alter
und die „Echtheit“ des Ausgangspunktes, auf den es hier ankommt, ist auf archäo-
logischem Wege jedenfalls nichts Entscheidendes auszumachen.
136 Das gilt allem Anschein nach auch von der angeblich aus Nazareth stammen-
den Inschrift Διάταγμα Καίσαρος, eines gegen Grabfrevel gerichteten Edikts, so-
bald man es mit dem Fall Jesu in Verbindung bringen und für unsere Frage aus-
zuwerten sucht; vgl. J. Ikmscher, Zum Διάταγμα Καίσαρος von Nazareth, Zeit-
schr. f. neutest. Wissensch. 23 (1949) 172ff. Noch viel problematischer wäre eine
Berufung auf das angebliche Grabtuch von Turin. Hier handelt es sich zwar nicht
einfach nur um fälschende Malerei, sondern wahrscheinlich um einen wenigstens
teilweise „echten“ Abdruck einer wirklichen Leiche. Aber solange das Tuch für
die wissenschaftliche Untersuchung nicht freigegeben ist, erscheint eine Diskussion
dieser Probleme müßig.
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lieh begründete Kunde, so müssen die Nachforschungen nach dem
Grabe zum mindesten sehr bald begonnen haben. Man fand und
zeigte aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich ein leeres Grab135,
und wenn wir nicht alles im Sinne der Juden für Schwindel und
nachträgliche Mache erklären wollen, so ist es nicht einzusehen,
warum dessen Entdeckung nicht so, nicht durch die Personen und
zu dem Zeitpunkt erfolgt sein sollte, wie es uns die älteste Überlie-
ferung an die Hand gibt. Alles andere ist unkontrollierbar136. Wer
mit einer Umbettung, Verwechslung oder sonstigen Unglücksfäl-
len rechnen möchte, kann seine Phantasie natürlich beliebig spie-
len lassen — hier ist alles möglich und nichts beweisbar. Aber das
hat mit kritischer Forschung dann nichts mehr zu tun. Prüft man
das, was sich prüfen läßt, so kommt man m. E. nicht darum herum,
die Nachricht vom leeren Grab selbst und von seiner frühen Ent-
deckung stehen zu lassen. Es spricht vieles für und nichts Durch-
schlagendes und Bestimmtes gegen sie; sie ist also aller Wahrschein-
lichkeit nach historisch.
III
Zwei Daten heben sich also aus der wirren Fülle des überliefer-
ten Stoffes als wesentlich und zuverlässig heraus: eine Reihe von
unbezweifelbaren Christuserscheinungen, die nach Galiläa zu set-
zen sind, und die Entdeckung des leeren Grabes zu Jerusalem.
Schon früh beginnen die Bestrebungen, beide Nachrichten so nah
wie möglich zusammenzuziehen, d. h. die ersten Erscheinungen
schon am offenen Grabe selbst auftreten zu lassen und sie schließ-
lich ganz nach Jerusalem zu verlegen. Aber so oft auch diese Über-
135 Ob die Tradition darüber erhalten blieb und ob die Grabeskirche sich heute
noch an der „richtigen“ Stelle befindet, ist eine andere Frage, die ich nicht so ent-
schieden bejahen möchte, wie J. Jebemias, Golgotha (1926) es tut. Über das Alter
und die „Echtheit“ des Ausgangspunktes, auf den es hier ankommt, ist auf archäo-
logischem Wege jedenfalls nichts Entscheidendes auszumachen.
136 Das gilt allem Anschein nach auch von der angeblich aus Nazareth stammen-
den Inschrift Διάταγμα Καίσαρος, eines gegen Grabfrevel gerichteten Edikts, so-
bald man es mit dem Fall Jesu in Verbindung bringen und für unsere Frage aus-
zuwerten sucht; vgl. J. Ikmscher, Zum Διάταγμα Καίσαρος von Nazareth, Zeit-
schr. f. neutest. Wissensch. 23 (1949) 172ff. Noch viel problematischer wäre eine
Berufung auf das angebliche Grabtuch von Turin. Hier handelt es sich zwar nicht
einfach nur um fälschende Malerei, sondern wahrscheinlich um einen wenigstens
teilweise „echten“ Abdruck einer wirklichen Leiche. Aber solange das Tuch für
die wissenschaftliche Untersuchung nicht freigegeben ist, erscheint eine Diskussion
dieser Probleme müßig.