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Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1958, 2. Abhandlung): Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab — Heidelberg, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.42457#0020
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Hans Frhr. von Campenhausen

dieses Vorgangs nicht mehr gleichmäßig verstanden und gedeutet wird56.
Aber dies bleibt unsicher57, und wir müssen uns mit der bloßen, bei Pau-
lus bezeugten Tatsache dieser Erscheinung begnügen. Paulus sagt auch
nichts darüber, wie ihr Zusammenhang mit der ersten Erscheinung vor
Petrus geschichtlich zu denken ist. Petrus ist auch bei der zweiten Erschei-
nung mit dabei; irgendein Zusammenhang muß also bestanden haben.
Man könnte sich etwa denken, Petrus habe, durch sein Erlebnis zu voller
Gewißheit gelangt, die anderen Jünger versammelt, und dann habe sich
die Erscheinung wiederholt. Mit der dritten Erscheinung ist die Entwick-
lung offensichtlich viel weiter fortgeschritten58. Jetzt ist es bereits ein statt-
licher Kreis, der sich um die Jünger geschart hat; die „Kirche“ ist im Ent-
stehen, und die Gemeindebildung im großen Stil hat in Galiläa begonnen.
Bei den zwei nächsten Angaben, die Paulus macht, tappen wir fast
völlig im Dunkeln. Über die Erscheinung vor Jakobus haben wir nur einen
späten, ganz unglaubwürdigen Bericht des Hebräerevangeliums59. Es ist
möglich, aber nicht notwendig, daß sie für Jakobus zugleich die Bedeutung
einer Bekehrung gehabt hat60; denn zu Lebzeiten seines Bruders scheint
er ihm noch ferngestanden zu haben61. In diesem Fall müßte die Erschei-
nung wohl gleichfalls nach Galiläa verlegt werden; denn was sollte Jako-
bus sonst in Jerusalem62? Jedenfalls wird die bedeutsame Rolle, die er von

56 Lk. 24, 30f.; Joh. 21, 12ff.; Ev. Hb. nach Hieron. vir. ill. 2; Mk. 16, 14; vgl.
Act. 1, 4 (?); 10, 41. Unter unverkennbar antidoketischer Tendenz steht der
Bericht von Lk. 24, 41 £f.; ebenso Ignat. Smyrn. 3, 3. Gegen die Überschätzung
des Mahlmotivs bei Mk. Barth, Das Abendmahl (1945), s. die im entgegen-
gesetzten Sinne etwas einseitige Kritik von W. Michaelis, Karfreitags- oder
Ostercharakter des Abendmahls? in: Das Wort sie sollen lassen stahn (Festsdrr.
Alb. Schädelin, 1950) 57ff.
57 Vgl. über diese Frage Brun S. 72ff.; 0. Cullmann, Urchristentum und Gottes-
dienst (19563) 14. Übrigens kann das Mahl, wie Brun S. 66 bemerkt, sehr wohl
im Freien stattgefunden haben.
58 Es besteht keine Veranlassung, sie mit der Pfingstlegende von Act. 2 zusam-
menzubringen: W.-G. Kümmel, Kirchenbegriff und Geschichtsbewußtsein in der
Urgemeinde und bei Jesus (1943) 8; Schmitt S. 138ff.; Grass S. 99ff. Und
selbst wenn diese spätere Legende irgendeinen Nachhall des von Paulus be-
richteten Ereignisses enthalten sollte, läßt sich von ihr aus nicht mehr historisch
zurückschließen.
59 Hieron. vir. ill. 2.
60 Dobschütz S. 24f. Träfe diese Annahme zu, so ergäbe sich in der Reihenfolge
der Einzelerscheinungen eine hübsche, aber natürlich ganz ungewollte Klimax:
vom Jünger Petrus über den neutralen Jakobus zum Verfolger Paulus.
61 Mk. 3, 21. 31 ff. par.; 6, 3 par.; vgl. Joh. 7, 6. 10.
62 Man könnte allerdings annehmen, Jakobus, der zum Passafest nach Jerusalem
gekommen war, hätte die Stadt damals noch gar nicht verlassen (Bultmann,
brieflich); aber man käme damit chronologisch doch recht ins Gedränge. Auch
W. Grundmann, Die Geschichte Jesu Christi (1957) 369f., möchte im Anschluß
an Albertz die Erscheinungen vor den Verwandten Jesu ursprünglich an Je-
 
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