Metadaten

Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1958, 2. Abhandlung): Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab — Heidelberg, 1958

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42457#0049
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab

47

vorgestellt wie Lukas; sie haben darüber nur nichts sagen wollen und ge-
sagt. Entscheidend ist aber nicht dies Allgemeine, sondern die bestimmte
Angabe, die Lukas über die Haltung und das Verhalten des Petrus macht.
Nach seiner Darstellung muß man nämlich annehmen, Petrus sei über-
haupt niemals, also auch nicht nach der Kreuzigung Jesu, ganz an ihm
irre geworden. Petrus hat vielmehr — trotz allem — den „Glauben“ be-
wahrt und damit zuletzt auch die übrigen Jünger bestimmt und gewonnen.
Dies wird, noch vor der Ansage der Verleugnung, von Jesus selbst in Form
einer Weissagung angekündigt183. Petrus sieht das drohende Schicksal Jesu
— Gefangennahme und Tod — bereits klar vor Augen184 und schwört, ihn
trotzdem nicht zu verlassen. Jesus, der ihm das Gegenteil voraussagt, hat
ihn aber zugleich auch seiner Fürbitte versichert, die Petrus in der Sich-
tungsstunde, die jetzt über die Jünger kommt, trotzdem im Glauben er-
halten wird; sein Glaube wird nicht „aussetzen“. Das heißt, es wird für
Petrus wohl zu einem menschlichen Versagen und zu einem moralischen
Zusammenbruch kommen, aber nicht zur völligen Aufgabe des Christus-
Glaubens selbst. Hat er sein Versagen bereut, hat er sich wieder gesammelt
und „bekehrt“, so wird er auch die übrigen Jünger wieder auf richten kön-
nen und „stärken“185. Dementsprechend zeigt auch der vielsagende Blick,
mit dem der Herr Petrus nach seiner Verleugnung noch einmal begegnet186,
nicht nur beschämende Trauer an, sondern Jesus hält so, noch im Moment
der bittersten Demütigung und Enttäuschung seines Jüngers, die innere
Verbindung mit ihm fest oder stellt sie, nach der Verleugnung, von neuem
her. Petrus hat sein stolzes Selbstvertrauen und den Glauben an die eigene
Treue verloren; aber den Herrn selbst hat er niemals wirklich verloren:
unter den Tränen der Reue darf er ihn wiederfinden.

183 Lk. 22, 31 f. Gegen Bultmanns seltsame Annahme (Tradition S. 287f.), das
Wort habe ursprünglich überhaupt nichts mit der Verleugnungsgeschichte zu
tun gehabt, s. Finegan S. 15 Anm. 2. Ganz unfruchtbar bleibt W. Foerster,
Lukas 22, 31f., Zeitschr. f. neutest. Wissensch. 46 (1955) 129ff.; zuletzt Ch.
Masson, Le reniement de Pierre. Quelques aspects de la formation d’une
tradition, Rev. d’Hist. et de Philos. Rel. 37 (1957) 24ff.
184 Die Bereitschaft, dem Herrn xal elg cpiAaxfyv xal sig ffavaxov zu folgen, Lk.
22, 33, geht nicht auf ein Martyrium des Petrus: K. Heussi, Ist die sogenannte
Petrustradition bereits im Lukasevangelium und schon kurz nach dem Jahre
70 bezeugt? Wissensch. Zeitschr. d. Friedr.-Schiller-Univers. Jena 6 (1956/57)
571ff. Das Wort darf auch nicht als allgemeine, überschwängliche Redensart
genommen werden, sondern hat der Situation entsprechend durchaus konkre-
ten Sinn; vgl. Joh. 13, 37f.
185 Die von Fr. Blass, Evangelium secundum Lucam (1897) 99, bevorzugte und
auch von Stauffer, Vor- und Frühgeschichte S. 20 Anm. 58 empfohlene Les-
art oü öe EJtiaxp£r|.'ov xal axr]£Haov statt xal aü jtoxs eniaxpEaj;ai; oxf|pioov be-
tont das in die spätere Zukunft Weisende dieses Befehls weniger stark, er-
gibt aber keinen wesentlich anderen Sinn.
186 Lk. 22, 61.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften