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Hans Frhr. von Campenhausen
bereit ist, auch billiger zu haben. Dementsprechend hat sich die protestan-
tische Apologetik bei der Abwehr des historischen Zweifels schon im Laufe
des 19. Jahrhunderts vielfach darauf zurückgezogen, die Auferstehungs-
wirklichkeit nur noch psychologisch und scheinbar rational mit der Tat-
sache des Osterglaubens selbst zu begründen. Der plötzliche Umschlag in
der Stimmung der Jünger, sagt man, wäre ganz unbegreiflich, wenn ihm
nicht irgendein reales Geschehen entsprochen hätte, das ihn hervorgerufen
hat. Wir haben schon gesehen, was über diese Konstruktion vom Stand-
punkt des Historikers zu sagen wäre. Psychologisch ist diese Argumenta-
tion erst recht nicht beweiskräftig; es ist nur erstaunlich, welch einer Be-
liebtheit sie sich gleichwohl immer noch erfreut. Doch zeichnet sich heute
bereits eine weitere Form der Apologetik ab, die der wirklichen For-
schungslage etwas besser gerecht wird. Man betont und übertreibt jetzt,
von richtigen Erkenntnissen ausgehend, gerade die Unzulänglichkeit und
Unentwirrbarkeit der erhaltenen Nachrichten und erklärt, daß der Auf-
erstehungsgeschichte selbst mit den Mitteln historischer Kritik überhaupt
nicht beizukommen sei. Was bleibt, sei lediglich das biblische Zeugnis als
solches, das Kerygma, das den Glauben fordert und dem man sich darum
im Glauben zu unterwerfen habe. Aber auch diese Lösung ist zu einfach.
Das Bündnis, das ein vermeintlich besonders radikaler Glaube auf diese
Weise mit dem historischen Skeptizismus schließt, dient in Wirklichkeit
nur dazu, ihn der eigentlichen Anfechtung durch die Geschichte und die
geschichtliche Vernunft überhaupt zu entziehen.
Demgegenüber war es ein Anliegen dieser Studie zu zeigen, daß zu
einer so weitgehenden Skepsis angesichts der wirklichen Überlieferungs-
verhältnisse, historisch geurteilt, kein Recht besteht. Aber diese Feststel-
lung bedeutet nicht ohne weiteres eine Erleichterung. Das Beunruhigende
einer historisch rekonstruierten Ostergeschichte liegt vielmehr gerade dar-
in, daß sich jetzt alles scheinbar so einfach und lückenlos zusammenfügt.
Die Dinge, die sich uns erschlossen haben, sind weder absolut wunderbar
noch auch absolut unerkennbar. Es läßt sich alles sehr wohl auch rein „na-
türlich“ deuten oder mißdeuten209. Der Glaube ist also keineswegs aus der
gefährdenden Anfechtbarkeit entlassen, wenn er an das Zeugnis von der
Auferstehung als das einmalige, wunderbare Heilshandeln Gottes ge-
wiesen wird, das ihn von der „Welt“ frei machen soll. Allein erst so ge-
langt er in die richtige, ihm gemäße Situation und in seinen wahren Ernst,
und gerade dies gilt es, angesichts der historischen Möglichkeiten ohne
Vorbehalt zu erkennen. Die Tat Gottes begegnet niemals in einem gleich-
sam dafür ausgesparten Raum wie eine neutrale und unbezweifelbare
209 Dies gilt gerade auch für die entscheidenden Christusbegegnungen selbst, die
man sehr wohl als bloße „Visionen“ im Sinne von Halluzinationen verstehen
kann. Das hat die kritische Forschung unzählige Male auch getan und dabei
meist nicht einmal gefühlt, wohin sie mit ihren Interpretationen geraten war.
Hans Frhr. von Campenhausen
bereit ist, auch billiger zu haben. Dementsprechend hat sich die protestan-
tische Apologetik bei der Abwehr des historischen Zweifels schon im Laufe
des 19. Jahrhunderts vielfach darauf zurückgezogen, die Auferstehungs-
wirklichkeit nur noch psychologisch und scheinbar rational mit der Tat-
sache des Osterglaubens selbst zu begründen. Der plötzliche Umschlag in
der Stimmung der Jünger, sagt man, wäre ganz unbegreiflich, wenn ihm
nicht irgendein reales Geschehen entsprochen hätte, das ihn hervorgerufen
hat. Wir haben schon gesehen, was über diese Konstruktion vom Stand-
punkt des Historikers zu sagen wäre. Psychologisch ist diese Argumenta-
tion erst recht nicht beweiskräftig; es ist nur erstaunlich, welch einer Be-
liebtheit sie sich gleichwohl immer noch erfreut. Doch zeichnet sich heute
bereits eine weitere Form der Apologetik ab, die der wirklichen For-
schungslage etwas besser gerecht wird. Man betont und übertreibt jetzt,
von richtigen Erkenntnissen ausgehend, gerade die Unzulänglichkeit und
Unentwirrbarkeit der erhaltenen Nachrichten und erklärt, daß der Auf-
erstehungsgeschichte selbst mit den Mitteln historischer Kritik überhaupt
nicht beizukommen sei. Was bleibt, sei lediglich das biblische Zeugnis als
solches, das Kerygma, das den Glauben fordert und dem man sich darum
im Glauben zu unterwerfen habe. Aber auch diese Lösung ist zu einfach.
Das Bündnis, das ein vermeintlich besonders radikaler Glaube auf diese
Weise mit dem historischen Skeptizismus schließt, dient in Wirklichkeit
nur dazu, ihn der eigentlichen Anfechtung durch die Geschichte und die
geschichtliche Vernunft überhaupt zu entziehen.
Demgegenüber war es ein Anliegen dieser Studie zu zeigen, daß zu
einer so weitgehenden Skepsis angesichts der wirklichen Überlieferungs-
verhältnisse, historisch geurteilt, kein Recht besteht. Aber diese Feststel-
lung bedeutet nicht ohne weiteres eine Erleichterung. Das Beunruhigende
einer historisch rekonstruierten Ostergeschichte liegt vielmehr gerade dar-
in, daß sich jetzt alles scheinbar so einfach und lückenlos zusammenfügt.
Die Dinge, die sich uns erschlossen haben, sind weder absolut wunderbar
noch auch absolut unerkennbar. Es läßt sich alles sehr wohl auch rein „na-
türlich“ deuten oder mißdeuten209. Der Glaube ist also keineswegs aus der
gefährdenden Anfechtbarkeit entlassen, wenn er an das Zeugnis von der
Auferstehung als das einmalige, wunderbare Heilshandeln Gottes ge-
wiesen wird, das ihn von der „Welt“ frei machen soll. Allein erst so ge-
langt er in die richtige, ihm gemäße Situation und in seinen wahren Ernst,
und gerade dies gilt es, angesichts der historischen Möglichkeiten ohne
Vorbehalt zu erkennen. Die Tat Gottes begegnet niemals in einem gleich-
sam dafür ausgesparten Raum wie eine neutrale und unbezweifelbare
209 Dies gilt gerade auch für die entscheidenden Christusbegegnungen selbst, die
man sehr wohl als bloße „Visionen“ im Sinne von Halluzinationen verstehen
kann. Das hat die kritische Forschung unzählige Male auch getan und dabei
meist nicht einmal gefühlt, wohin sie mit ihren Interpretationen geraten war.