Metadaten

Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1968, 3. Abhandlung): Ciceros Gebetshymnus an die Philosophie Tusculanen V 5: vorgetragen am 16. Dez. 1967 — Heidelberg, 1968

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44216#0027
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ciceros Gebetshymnus an clie Philosophie

23

„ein 'infiniter (d. h. nicht auf einen Individualfall begrenzter), in
einem Satz formulierter Gedanke, der in einer quaestio finita als Be-
weis . . . verwendet wird“ und als solcher eine auctoritas abgibt, wie
Lausberg zutreffend definiert13. Und zwar erscheint diese Sentenz
gern innerhalb eines enthymema™, d. h. einer gekürzten, logisch un-
vollkommenen Form des syllogismtts im Rahmen der ar gumentatio™.
In ein solches enthymema nun ist in der Tat unsere quaestio specialis
C gekleidet. Dies zu erkennen und zugleich die Funktion der Sentenz
im enthymema festzustellen, dient uns am besten eine bei Julius Vic-
tor 10 gebotene antike Definition16:
enthymema est imperfectus Syllogismus: non est enim in eo ne-
cesse primum proponere, deinde argumentari et postremo con-
cludere, sed vel primam propositionem praeterire licebit, prop-
terea quod ipsa tantum praesumptione iudicis vel auditoris con-
tenta esse poterit, et sola ratiocinatione exequi et conclusionem
superaddere, vel certe conclusionem praetermittere et sensibus
iudicis id quod ratiocinatus est colligendum relinquere.
Prüfen wir, welchen Gebrauch Cicero von diesen Regeln und Frei-
heiten in unserem Falle gemacht hat. Die propositio in seinem enthy-
mema ( = imperfectus Syllogismus} scheint in der Tat zu fehlen. Aber
der Hörer kann sie leicht aus der propositio der quaestio generalis
(A 1) entnehmen, wo sie durch den von uns beachteten Vorverweis
auf die quaestio specialis bereits mit enthalten ist. Sie läßt sich von
dort her unschwer paraphrasieren und lautet, unter Absehen von der
rhetorischen Frage, in der sie formuliert war, etwa so: nihil nossine
te (seil, philosophia} esse possumus. Die conclusio, das notwendige
Schlußglied eines jeden Beweises, also auch des gedrängten enthy-
mema, folgt unmittelbar auf die sententia (C 1) als Anfang von C 2
und verrät sich schon äußerlich durch das den 'Schluß’ charakterisie-
rende igitur. Wenn wir sie ebenfalls des rhetorischen Fragesatzes
entkleiden17, so besagt sie: nullius igitur potius opibus zitemur quam

13 Lausberg I 431. 14 * Lausberg I 433.
15 Lausberg I 197 ff., bes. 199. Vgl. a. H. Hommel in: Lex. d. Alten Welt 1965,
Sp. 817.
16 Lausberg I 199.
17 Dieser hat gewissermaßen eine doppelte Funktion. Über seine formale Bedeu-
tung im Rahmen des Ganzen werden wir noch zu sprechen haben (s. unt. S. 26);
inhaltlich fügt er der Schlußfolgerungsrichtung, die an sich ein positives Bezie-
hungsverhältnis ausdrückt (enthymema ex consequentibus Quintilian, Inst. or.
V 14, 25), mit seinem abwehrenden cuius . . . potius . . . quam tuis . . .? die
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften