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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1968, 3. Abhandlung): Ciceros Gebetshymnus an die Philosophie Tusculanen V 5: vorgetragen am 16. Dez. 1967 — Heidelberg, 1968

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https://doi.org/10.11588/diglit.44216#0044
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Hildebrecht Hommel

gelangen und die trügerische, von anderen gepredigte vermeiden
könne. Kein Zweifel also, sein dreimal mit leichter Variation des
Ausdrucks eingeprägtes αθάνατον είναι umschreibt nichts anderes
als den so fragwürdigen Ruhm, das von Tyrtaios als Ausfluß der
ανδρεία gepriesene κλέος, das sich ähnlich auch im Gefolge all der
anderen Scheingüter einzustellen pflegt, das aber vermeiden oder
aus dessen Bann sich alsbald wieder lösen muß, wer die δικαιοσύνη
als Quelle wahrhafter ευδαιμονία erkannt und in Besitz genommen
hat27. Platon versteht also die αθανασία hier in jenem dem Grie-
chen je und je geläufigen Sinn eines Weiterlebens im Ruhm28, der
schon bei Lebzeiten einsetzen kann und sich im Nachruhm voll-
endet29. Aber wie schon bemerkt und begründet ist, und wie der
27 Andere Lösungsmöglichkeiten, die sich zunächst anbieten könnten, die aber der
im Text vorgetragenen und begründeten kaum standhalten dürften, seien hier
nur anmerkungsweise gestreift. So der in der Wendung 661 B 3/4 αθάνατον . . .
γενόμενον δτι τάχιστα enthaltene Anklang an Sophokles, OK 1226 f. βήναι
κεϊσ’, δπόθενπερ ήκει πολύ δεύτερον ώς τάχιστα (vgl. damit auch 661 C 4 έλατ-
τον δέ, αν ώς όλίγιστον κτλ.), wo sich jedoch ein inhaltlicher Bezug nicht her-
stellen läßt. Auch der Gedanke an ein orphisches Jenseitsideal, das ja bei Pla-
ton sonst keinesfalls abgewertet wird, muß ganz fernbleiben. Schließlich wäre
an den von Tyrtaios 9, 5 erwähnten Tithonos zu denken, dem der Sage nach
eine Art diesseitiger Unsterblichkeit verliehen war; aber davon reden weder
Tyrtaios noch Platon auch nur andeutungsweise, und wiederum wäre ein ge-
danklicher Zusammenhang ganz unerfindlich. An das „Unsterblichkeit“ gewäh-
rende κλέος des Tyrtaios dagegen muß jeder denken, der sich von Platons Aus-
einandersetzung führen läßt und das Gedicht, wie es dieser offensichtlich vor-
aussetzt, vor Augen oder im Gedächtnis hat. Übrigens wird auch in Platons
'Menexenos’ 234 C ff. das καλόν είναι τό έν πολέμω άποθνήσκειν vorwiegend im
Ruhm und Nachruhm erblickt, der dort ebenfalls stark ironisiert erscheint.
28 Vgl. Br. Snell a. 0. (ob Anm. 1) 138. - Daß Platon auch sonst αθάνατος im
Sinne eines fragwürdigen, von Menschen zuerkannten Titels einer positiven
Beurteilung - von an sich Unwürdigem - gebraucht hat, geht aus einer anderen
Stelle hervor, auf die mich K. Gaiser aufmerksam macht: Gorgias 481 A/B heißt
es, die Redekunst verhilft dazu, daß einer, der Unrecht getan hat, vor Gericht
mit dem Leben davon kommt, ja möglichst überhaupt nicht sterben muß, son-
dern »unsterblich ist in seiner Schlechtigkeit“ (αθάνατος έσται πονηρός ών).
Die Fortsetzung εΐ δέ μή, όπως ώς πλεϊστον χρόνον βιώσεται τοιοΰτος ών er-
innert wie einiges Vorangehende auch in der Formulierung an unsere Stelle aus
den Nomoi. — immortalitas etc. aufs Diesseits bezogen scheint im Lateinischen,
vom Komödienspott abgesehen, selten zu sein; aber die Möglichkeit einer Über-
tragung beweisen Wendungen wie die von Cicero selber (ad Qu. fr. III 1, 9)
gebrauchte immortaliter gaudeo 'ich freue mich unendlich’.
20 Platon, der hier an Tyrtaios anknüpft, eben weil dieser auch vom Ruhm bei
Lebzeiten ausdrücklich handelt, könnte nach einem Hinweis von Wolfg. Haase
 
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