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Henrich, Dieter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1976, 1. Abhandlung): Identität und Objektivität: eine Untersuchung über Kants transzendentale Deduktion ; vorgetragen am 9. November 1974 — Heidelberg: Winter, 1976

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https://doi.org/10.11588/diglit.45458#0024
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Dieter Henrich

in Kants Worten einen guten Sinn zu finden. Aber der Erfolg auch
dieses neuen Impulses zum besseren Verständnis der theoretischen
Vorgänge in Kants Texten ist durch einige kontingente Umstände in
Grenzen gehalten: Die angelsächsischen Autoren bleiben schon deshalb
in gemessenem Abstand zum wirklichen Verlauf von Kants Argu-
menten, weil sie seiner Sprache meist nicht mächtig sind und weil sie
nur einen schmalen Ausschnitt aus den tausenden Seiten von Kants
Publikationen, Manuskripten und Notizen übersehen. Kant schrieb
in reifem Alter, nach einer langen Reihe eigener Theorieversuche,
die scheiterten, und nach umfassender Analyse der Begriffsbildungen
jener Epoche der Philosophie, die durch sein Werk in Vergessenheit
geraten ist. Auf beide nimmt er ständig implizit Bezug. Zudem faßte
er in der Absicht, seine Leser nicht zu verlieren, seine Texte so kurz
und auch so verkürzt wie möglich. Den Texten eines solchen Autors
kann man in wirklicher Nähe nur folgen, wenn man sicher ist, stets
entscheiden zu können, wo man sich noch in den Fluchtlinien seiner
Gesichtspunkte hält und wo man sie durch andere, wenngleich ver-
wandte und möglicherweise auch beweiskräftigere, zu ersetzen beginnt.
Kants Grundgedanken werden sich nur verstehen lassen, wenn man
die Stärke der Analyse von Argumenten ganz in die Analyse von
Texten einbringen kann. Gelingt das nicht, so ergeben sich philo-
sophische Untersuchungen, die dem Kantischen Denken verwandt und
mit Kantischen Zitaten instrumentiert sind. Kants historische Theorie-
versuche bleiben aber weiterhin in dem Halbdunkel, aus dem sie noch
niemand herauszustellen vermochte.
Die folgende Untersuchung kann sich einer solchen Aufgabe nur
einordnen, nicht sie erfüllen. Sie reicht nicht aus, irgendeinen Absatz
vollständig zu erschließen, in dem Kant seine Lehre von den Grund-
bedingungen der Erkenntnis vorzutragen versucht. Sie will aber im
Bereich der Fundierung dieser Theorie einen Zusammenhang von
Überlegungen aufweisen, der Kant wirklich vor Augen stand. Dieser
Zusammenhang deckt nicht den ganzen Bereich von Kants Grund-
lehre, ist also nur Element, nicht das Ganze einer Interpretation seiner
transzendentalen Deduktion>. Unter anderem wird es deshalb auch
offenbleiben müssen, bis zu welchem Grad er in den Texten zur
Kritik der reinen Vernunft dominant geworden ist. Er soll entwickelt
werden, weil er bislang unentdeckt blieb, obgleich ohne ihn Kants
grundlegendste Thesen bar jeder Begründung sind.
Ob die Begründungen, welche Kant selbst erreichen konnte, nach
den Maßstäben der Philosophie unserer Zeit nur verständlich oder
 
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