Identität und Objektivität
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der dies geschieht, versteht sich aber aus Kants weitergehendem Be-
weisprogramm: Von den zwei Gängen, welche den genannten beiden
Einwänden korrespondieren, wird mit der Objektivitätsanalyse zu
beginnen sein, welche die weniger weitreichenden Ergebnisse im Rah-
men einer transzendentalen Deduktion erwarten läßt, um dann zur
Analyse der Identität des Selbstbewußtseins überzuleiten, in Bezie-
hung auf die sich am Ende ergeben muß, ob Kants erkenntnis-
theoretisches Programm durchsichtig zu machen und zureichend zu
begründen ist. Denn die Analyse des Objektbegriffes reicht zwar für
sich schon dazu aus, die empiristische Theorie über die Genesis der
Erkenntnis zu widerlegen. Sie ist auch eine notwendige Bedingung
dafür, daß eine Rechtfertigung des Objektivitätsanspruchs unserer
Erkenntnis gelingt; auch die Untersuchung des Selbstbewußtseins muß
auf eine eigenständige Analyse des Objektbegriffes rekurrieren. Eine
zureichende Rechtfertigung, daß Erfahrung als wirkliche Erkenntnis
von Objekten allgemein möglich ist, läßt sich nach Kant aber nur
im Ausgang vom Selbstbewußtsein gewinnen.
1. Vorläufige Erwägungen zum Objektbegriff
Eine der bedeutendsten Leistungen Kants ist es, zum ersten Male
einige der wichtigsten Aspekte der Problematik erfaßt zu haben,
die mit dem Objektbegriff gestellt ist. Sie tritt für ihn im Zusammen-
hang mit einer der elementaren Voraussetzungen hervor, die er mit
der Erkenntnistheorie seiner Zeit teilt, daß nämlich die primären
Gegebenheiten von Wirklichem für die Erkenntnis Präsentationen von
einfachen Qualitäten in einem diffusen Beieinander im Raume sind.
Diese Präsentationen sind als Vorkommnisse gedacht, die jedoch
zugleich in nichts anderem als in einem Einzelfall bestehen sollen,
in dem eine sinnliche Qualität verwirklicht oder instanziiert ist. In
Kants Sprache, die alles erkennbare Wirkliche als dem Subjekt Ge-
gebenes auffaßt, werden sie deshalb <Empfindungen> genannt.
Es ist leicht zu sehen, daß durch solche Gegebenheiten allein eine
Beziehung auf Objekte nicht eintreten kann. Im Gedanken vom
Objekt sind sowohl hinsichtlich dessen, was Objekt ist, als auch
hinsichtlich der Einstellung, die Objekterkenntnis ermöglicht, Bedin-
sich in: Vf. <The Proof-Structure of Kant’s Transcendental Deduction> in: Review
of Metaphysics Bd. XXII, 4, 1969, deutsch in: <Kant, zur Deutung seiner Theorie
von Erkennen und Handelns ed. G. Prauss, Köln, 1973.
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der dies geschieht, versteht sich aber aus Kants weitergehendem Be-
weisprogramm: Von den zwei Gängen, welche den genannten beiden
Einwänden korrespondieren, wird mit der Objektivitätsanalyse zu
beginnen sein, welche die weniger weitreichenden Ergebnisse im Rah-
men einer transzendentalen Deduktion erwarten läßt, um dann zur
Analyse der Identität des Selbstbewußtseins überzuleiten, in Bezie-
hung auf die sich am Ende ergeben muß, ob Kants erkenntnis-
theoretisches Programm durchsichtig zu machen und zureichend zu
begründen ist. Denn die Analyse des Objektbegriffes reicht zwar für
sich schon dazu aus, die empiristische Theorie über die Genesis der
Erkenntnis zu widerlegen. Sie ist auch eine notwendige Bedingung
dafür, daß eine Rechtfertigung des Objektivitätsanspruchs unserer
Erkenntnis gelingt; auch die Untersuchung des Selbstbewußtseins muß
auf eine eigenständige Analyse des Objektbegriffes rekurrieren. Eine
zureichende Rechtfertigung, daß Erfahrung als wirkliche Erkenntnis
von Objekten allgemein möglich ist, läßt sich nach Kant aber nur
im Ausgang vom Selbstbewußtsein gewinnen.
1. Vorläufige Erwägungen zum Objektbegriff
Eine der bedeutendsten Leistungen Kants ist es, zum ersten Male
einige der wichtigsten Aspekte der Problematik erfaßt zu haben,
die mit dem Objektbegriff gestellt ist. Sie tritt für ihn im Zusammen-
hang mit einer der elementaren Voraussetzungen hervor, die er mit
der Erkenntnistheorie seiner Zeit teilt, daß nämlich die primären
Gegebenheiten von Wirklichem für die Erkenntnis Präsentationen von
einfachen Qualitäten in einem diffusen Beieinander im Raume sind.
Diese Präsentationen sind als Vorkommnisse gedacht, die jedoch
zugleich in nichts anderem als in einem Einzelfall bestehen sollen,
in dem eine sinnliche Qualität verwirklicht oder instanziiert ist. In
Kants Sprache, die alles erkennbare Wirkliche als dem Subjekt Ge-
gebenes auffaßt, werden sie deshalb <Empfindungen> genannt.
Es ist leicht zu sehen, daß durch solche Gegebenheiten allein eine
Beziehung auf Objekte nicht eintreten kann. Im Gedanken vom
Objekt sind sowohl hinsichtlich dessen, was Objekt ist, als auch
hinsichtlich der Einstellung, die Objekterkenntnis ermöglicht, Bedin-
sich in: Vf. <The Proof-Structure of Kant’s Transcendental Deduction> in: Review
of Metaphysics Bd. XXII, 4, 1969, deutsch in: <Kant, zur Deutung seiner Theorie
von Erkennen und Handelns ed. G. Prauss, Köln, 1973.