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Dieter Henrich
erlaubt. In einer Reflexion (6350), die vermutlich erst im Sommer des
Jahres 1797 niedergeschrieben wurde, heißt es:
«Was ist Objekt? Das, dessen Vorstellung ein Inbegriff mehrerer
dazu gehöriger Prädikate ist. Der Teller ist rund, warm, zinnern etc.
etc. Warm, rund, zinnern etc. etc. ist kein Objekt, aber wohl die
Wärme, das Zinn etc. etc.
Objekt ist das, in dessen Vorstellung verschiedene andere synthe-
tisch verbunden gedacht werden können.
In jedem Urteil ist Subjekt und Prädikat. Das Subjekt des Urteils,
sofern es verschiedene mögliche Prädikate enthalten kann, ist das
Objekt. Die Prädikate hängen alle vom Subjekt ab, wie warm von
der Wärme . . .
Warm, viereckigt, tief sind Prädikate. — Die Wärme, das Viereck,
die Tiefe sind Objekte, — Ebenso vernünftig und die Vernunft. Das
Bestimmbare in einem Urteil, das logische Subjekt, ist zugleich das
reale Objekt. . .
Das Subjekt eines Urteils, dessen Vorstellung den Grund der
synthetischen Einheit einer Mannigfaltigkeit von Prädikaten enthält,
ist das Objekt.»
Diese Textpassage verlangt und verdient einen ausführlichen Kom-
mentar in ihrem ganzen Zusammenhang, von dem hier nur die un-
entbehrlichsten Gesichtspunkte vorgetragen werden sollen. Denn Kant
beschränkt seine Behauptung über den Zusammenhang von logischem
Subjekt und realem Objekt nicht auf den Bereich der Einzeldinge.
In seinen Beispielen läßt er an der Subjektstelle auch Begriffe von
physischen <Massen> (Zinn), von abstrakten Objekten (Viereck), von
Zuständen von Körpern (Wärme) und von <Vermögen der Erkenntnis*
(Vernunft) auftreten. Für sie alle soll dasselbe gelten, was zunächst
für ein Einzelding, nämlich <den Teller* festgestellt wird.
Daß dieser Teller als ein einzelner gemeint ist, läßt sich ebenso aus
seinem transitorischen Zustand, warm zu sein, wie daraus entnehmen,
daß er mit dem bestimmten Artikel und somit in einer grammatischen
Form eingeführt ist, die sich zur Kennzeichnung von Einzelnem eignet.
Daß Kant für abstrakte Objekte und physikalische und psychologische
Eigenschaften und Dispositionen dieselbe Folgerung wie für Einzelnes
zieht, hat zwei Erklärungen: Zum einen ist Kant der Meinung, daß
alle Gegenstände im weitesten Sinn des Wortes synthetische Einheiten
eines Mannigfaltigen sind. Zum anderen ist es eigentlich Absicht der
Dieter Henrich
erlaubt. In einer Reflexion (6350), die vermutlich erst im Sommer des
Jahres 1797 niedergeschrieben wurde, heißt es:
«Was ist Objekt? Das, dessen Vorstellung ein Inbegriff mehrerer
dazu gehöriger Prädikate ist. Der Teller ist rund, warm, zinnern etc.
etc. Warm, rund, zinnern etc. etc. ist kein Objekt, aber wohl die
Wärme, das Zinn etc. etc.
Objekt ist das, in dessen Vorstellung verschiedene andere synthe-
tisch verbunden gedacht werden können.
In jedem Urteil ist Subjekt und Prädikat. Das Subjekt des Urteils,
sofern es verschiedene mögliche Prädikate enthalten kann, ist das
Objekt. Die Prädikate hängen alle vom Subjekt ab, wie warm von
der Wärme . . .
Warm, viereckigt, tief sind Prädikate. — Die Wärme, das Viereck,
die Tiefe sind Objekte, — Ebenso vernünftig und die Vernunft. Das
Bestimmbare in einem Urteil, das logische Subjekt, ist zugleich das
reale Objekt. . .
Das Subjekt eines Urteils, dessen Vorstellung den Grund der
synthetischen Einheit einer Mannigfaltigkeit von Prädikaten enthält,
ist das Objekt.»
Diese Textpassage verlangt und verdient einen ausführlichen Kom-
mentar in ihrem ganzen Zusammenhang, von dem hier nur die un-
entbehrlichsten Gesichtspunkte vorgetragen werden sollen. Denn Kant
beschränkt seine Behauptung über den Zusammenhang von logischem
Subjekt und realem Objekt nicht auf den Bereich der Einzeldinge.
In seinen Beispielen läßt er an der Subjektstelle auch Begriffe von
physischen <Massen> (Zinn), von abstrakten Objekten (Viereck), von
Zuständen von Körpern (Wärme) und von <Vermögen der Erkenntnis*
(Vernunft) auftreten. Für sie alle soll dasselbe gelten, was zunächst
für ein Einzelding, nämlich <den Teller* festgestellt wird.
Daß dieser Teller als ein einzelner gemeint ist, läßt sich ebenso aus
seinem transitorischen Zustand, warm zu sein, wie daraus entnehmen,
daß er mit dem bestimmten Artikel und somit in einer grammatischen
Form eingeführt ist, die sich zur Kennzeichnung von Einzelnem eignet.
Daß Kant für abstrakte Objekte und physikalische und psychologische
Eigenschaften und Dispositionen dieselbe Folgerung wie für Einzelnes
zieht, hat zwei Erklärungen: Zum einen ist Kant der Meinung, daß
alle Gegenstände im weitesten Sinn des Wortes synthetische Einheiten
eines Mannigfaltigen sind. Zum anderen ist es eigentlich Absicht der