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Dieter Henrich
aber nicht elementare Erscheinungen durch mehrere Prädikate charak-
terisiert werden müssen, kann man noch einen Einwand formulieren,
der sich ganz innerhalb der Prämissen des kantischen Datensensualis-
mus hält. Es gibt Daten, die zwar insofern einfach sind, als sie durch
Analyse auf keine andere Gegebenheit zurückgeführt werden können,
die aber dennoch durch mehrere Prädikate charakterisiert werden
können und müssen. So sind etwa Töne nach Tonhöhe, Klangfarbe
und Stärke, Farben nach Farbqualität, Helligkeit und Sättigung zu
beschreiben, — und zwar in jedem Fall ihres Erscheinens, also auch
dann, wenn man annimmt, daß sie ohne räumliche Erstreckung ge-
geben sein können. Werden einem solchen Datum Prädikate nach
diesen drei Gruppen zugesprochen, so findet wohl eine Synthesis dieser
Bestimmungen als Prädikaten in Beziehung auf den Referenten des
Subjektbegriffes im Urteil statt. Von einer Synthesis verschiedener
Gegebenheiten zum Objekt kann aber die Rede nicht sein.
Es gibt kein Anzeichen dafür, daß sich Kant selbst einen solchen
Einwand gemacht hat. Mit dem Hinweis auf eine Synthesis ver-
schiedener Sinnessphären, die etwa bei der Zusammennehmung von
visuellen und taktuellen Empfindungen erfolgt, läßt er sich eben-
sowenig entkräften wie etwa damit, daß den verschiedenen Charak-
teren solcher Gegebenheiten verschiedene physikalische Prozesse zu-
grundeliegen. Denn von solchen Prozessen kann dort nicht schon die
Rede sein, wo erörtert wird, wie Gegebenes als solches beschrieben
werden muß. Auch der Unterschied zwischen Extensivität und Inten-
sivität von Empfindungen erklärt nicht die innere Komplexität der-
jenigen Daten, auf die sich der Einwand bezieht.
Will man ihn entkräften, so muß man von Kants These ausgehen,
daß der Gedanke von einem Subjekt im elementaren kategorischen
Satz ein Objekt mit verschiedenen Eigenschaften notwendig verlangt.
Es ist aber die zufällige Eigenart einiger Empfindungsarten, komplex
charakterisiert werden zu können, so daß diese Komplexität nicht nur
die der Beschreibungsmittel, sondern die der charakterisierten Sach-
verhalte selbst ist. Gibt es keinen Grund anzunehmen, daß alle Daten
notwendigerweise solche Komplexion aufweisen, so ist es auch un-
umgänglich, in der Beziehung auf Objekte die Dimension der un-
mittelbaren Gegebenheiten von vornherein zu übersteigen und sie auf
Objekte zu beziehen, welche einer anderen Dimension angehören.
Nun ist aber wirklich nicht auszudenken, wie man einen Grund
apriori dafür finden könnte, daß alle Daten, die doch nicht analysier-
bar und in diesem Sinne einfach sind, komplexe Charakterisierungen
Dieter Henrich
aber nicht elementare Erscheinungen durch mehrere Prädikate charak-
terisiert werden müssen, kann man noch einen Einwand formulieren,
der sich ganz innerhalb der Prämissen des kantischen Datensensualis-
mus hält. Es gibt Daten, die zwar insofern einfach sind, als sie durch
Analyse auf keine andere Gegebenheit zurückgeführt werden können,
die aber dennoch durch mehrere Prädikate charakterisiert werden
können und müssen. So sind etwa Töne nach Tonhöhe, Klangfarbe
und Stärke, Farben nach Farbqualität, Helligkeit und Sättigung zu
beschreiben, — und zwar in jedem Fall ihres Erscheinens, also auch
dann, wenn man annimmt, daß sie ohne räumliche Erstreckung ge-
geben sein können. Werden einem solchen Datum Prädikate nach
diesen drei Gruppen zugesprochen, so findet wohl eine Synthesis dieser
Bestimmungen als Prädikaten in Beziehung auf den Referenten des
Subjektbegriffes im Urteil statt. Von einer Synthesis verschiedener
Gegebenheiten zum Objekt kann aber die Rede nicht sein.
Es gibt kein Anzeichen dafür, daß sich Kant selbst einen solchen
Einwand gemacht hat. Mit dem Hinweis auf eine Synthesis ver-
schiedener Sinnessphären, die etwa bei der Zusammennehmung von
visuellen und taktuellen Empfindungen erfolgt, läßt er sich eben-
sowenig entkräften wie etwa damit, daß den verschiedenen Charak-
teren solcher Gegebenheiten verschiedene physikalische Prozesse zu-
grundeliegen. Denn von solchen Prozessen kann dort nicht schon die
Rede sein, wo erörtert wird, wie Gegebenes als solches beschrieben
werden muß. Auch der Unterschied zwischen Extensivität und Inten-
sivität von Empfindungen erklärt nicht die innere Komplexität der-
jenigen Daten, auf die sich der Einwand bezieht.
Will man ihn entkräften, so muß man von Kants These ausgehen,
daß der Gedanke von einem Subjekt im elementaren kategorischen
Satz ein Objekt mit verschiedenen Eigenschaften notwendig verlangt.
Es ist aber die zufällige Eigenart einiger Empfindungsarten, komplex
charakterisiert werden zu können, so daß diese Komplexität nicht nur
die der Beschreibungsmittel, sondern die der charakterisierten Sach-
verhalte selbst ist. Gibt es keinen Grund anzunehmen, daß alle Daten
notwendigerweise solche Komplexion aufweisen, so ist es auch un-
umgänglich, in der Beziehung auf Objekte die Dimension der un-
mittelbaren Gegebenheiten von vornherein zu übersteigen und sie auf
Objekte zu beziehen, welche einer anderen Dimension angehören.
Nun ist aber wirklich nicht auszudenken, wie man einen Grund
apriori dafür finden könnte, daß alle Daten, die doch nicht analysier-
bar und in diesem Sinne einfach sind, komplexe Charakterisierungen