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Dieter Henrich
als solche werden dann nicht dem Subjekt als solchem zugeschrieben.
Sie sind aber das, wodurch sich ein Vorstellungszustand von einem
anderen Vorstellungszustand unterscheidet. Die Weise, in der in die-
sem Zustand verschiedene Vorstellungen miteinander in Verbindung
stehen, wird dagegen durch das Subjekt bestimmt, und zwar ein für
alle Mal und unabhängig von allen gegebenen Inhalten. Vorstellungen
können nur dann Vorstellungen des Subjektes werden, wenn sie sich
in die Bedingungen fügen, welche ihnen die unwandelbare Verfassung
der Subjekteinheit vorschreibt.
Zustände werden dem Subjekt also nur im Hinblick darauf zuge-
schrieben werden können, daß es in Beziehungen eintritt. Da es aber
in den Vorstellungszuständen, die sich aus dem Eintritt von Ge-
gebenem in die numerisch identische Form der Subjektverbindung
ergeben, völlig unverändert bleibt, entstehen nicht einmal jene
Schwierigkeiten, die Leibniz auf sich zog, als er den Fortgang im
Bewußtsein einer Substanz als Folge eines Prozesses ihrer Selbst-
aufklärung beschrieb. Durch solch einen Prozeß scheint die Substanz
wiederum in eine Abfolge von Zuständen zu geraten, von denen jeder
die Substanz als solche modifiziert. Sie sind zwar nicht durch die
Inhalte von Vorstellungen, die der Substanz innewohnen, aber doch
durch verschiedene Grade der Deutlichkeit dieser Vorstellungen von-
einander unterschieden. So sind sie zwar Zustände von anderer Art,
als die es waren, die Leibniz der Substanz abgesprochen hatte. Den-
noch sind sie im Prinzip modifizierende Zustände der Substanz genauso
wie jene. Gegenüber einer solchen theoretischen Zwangslage erscheint
das Argument, dessen Kant sich bedienen könnte, in einem günstigen
Licht. Kant könnte die Vorstellungsinhalte so denken, daß das Sub-
jekt nur zu ihnen in Beziehung steht und daß sie dennoch der Rede
von Zuständen des Subjektes einen Sinn geben, — aber von Zuständen,
welche die strikte Identität des Subjektes nicht beeinträchtigen. Dies
kantische Argument könnte, unangesehen seiner anderen Vorzüge,
geradezu als Auflösung von Leibniz’ Dilemma gelten33.
33 Damit von Zuständen des Subjektes in hinreichend spezifischem Sinn überhaupt
die Rede sein kann, dürfen die Vorstellungen nicht nur als Relata einer Relation
aufgefaßt werden, deren anderes Relat das identische Selbstbewußtsein ist. Das
ist aber dann schon vermieden, wenn dieses Selbstbewußtsein die Gegebenheits-
weise der Vorstellungen durch Synthesisregeln strukturiert. Es kann dann in deren
Sequenz ebensosehr in striktem Sinne dasselbe sein wie ein Setzerkasten für
wechselnde Mengen von Satztypen oder, besser noch, eine Leinwand für Sequenzen
von Bildern.
Dieter Henrich
als solche werden dann nicht dem Subjekt als solchem zugeschrieben.
Sie sind aber das, wodurch sich ein Vorstellungszustand von einem
anderen Vorstellungszustand unterscheidet. Die Weise, in der in die-
sem Zustand verschiedene Vorstellungen miteinander in Verbindung
stehen, wird dagegen durch das Subjekt bestimmt, und zwar ein für
alle Mal und unabhängig von allen gegebenen Inhalten. Vorstellungen
können nur dann Vorstellungen des Subjektes werden, wenn sie sich
in die Bedingungen fügen, welche ihnen die unwandelbare Verfassung
der Subjekteinheit vorschreibt.
Zustände werden dem Subjekt also nur im Hinblick darauf zuge-
schrieben werden können, daß es in Beziehungen eintritt. Da es aber
in den Vorstellungszuständen, die sich aus dem Eintritt von Ge-
gebenem in die numerisch identische Form der Subjektverbindung
ergeben, völlig unverändert bleibt, entstehen nicht einmal jene
Schwierigkeiten, die Leibniz auf sich zog, als er den Fortgang im
Bewußtsein einer Substanz als Folge eines Prozesses ihrer Selbst-
aufklärung beschrieb. Durch solch einen Prozeß scheint die Substanz
wiederum in eine Abfolge von Zuständen zu geraten, von denen jeder
die Substanz als solche modifiziert. Sie sind zwar nicht durch die
Inhalte von Vorstellungen, die der Substanz innewohnen, aber doch
durch verschiedene Grade der Deutlichkeit dieser Vorstellungen von-
einander unterschieden. So sind sie zwar Zustände von anderer Art,
als die es waren, die Leibniz der Substanz abgesprochen hatte. Den-
noch sind sie im Prinzip modifizierende Zustände der Substanz genauso
wie jene. Gegenüber einer solchen theoretischen Zwangslage erscheint
das Argument, dessen Kant sich bedienen könnte, in einem günstigen
Licht. Kant könnte die Vorstellungsinhalte so denken, daß das Sub-
jekt nur zu ihnen in Beziehung steht und daß sie dennoch der Rede
von Zuständen des Subjektes einen Sinn geben, — aber von Zuständen,
welche die strikte Identität des Subjektes nicht beeinträchtigen. Dies
kantische Argument könnte, unangesehen seiner anderen Vorzüge,
geradezu als Auflösung von Leibniz’ Dilemma gelten33.
33 Damit von Zuständen des Subjektes in hinreichend spezifischem Sinn überhaupt
die Rede sein kann, dürfen die Vorstellungen nicht nur als Relata einer Relation
aufgefaßt werden, deren anderes Relat das identische Selbstbewußtsein ist. Das
ist aber dann schon vermieden, wenn dieses Selbstbewußtsein die Gegebenheits-
weise der Vorstellungen durch Synthesisregeln strukturiert. Es kann dann in deren
Sequenz ebensosehr in striktem Sinne dasselbe sein wie ein Setzerkasten für
wechselnde Mengen von Satztypen oder, besser noch, eine Leinwand für Sequenzen
von Bildern.